von Kinga Wołoszyn-Świerk, Polen

Am 01. Mai 2004 hat alles so schön ausgesehen.... Ein großes Fest an der deutsch-polnischen Brücke zwischen Görlitz und Zgorzelec. Freundschaft, alle haben schön gefeiert. "Polen ist Mitglied der EU!!!", habe ich laut zusammen mit meinen deutschen Freunden geschrien.

Aber schon ein Tag danach ging die Euphorie zurück. Obwohl viele Fördermittel aus Brüssel kommen, können nicht alle verstehen, warum wir "EU-Bürger der zweiten Klasse" sind und nicht in Deutschland arbeiten dürfen. Einerseits kann man es verstehen, da nach der Osterweiterung und der Öffnung des Arbeitsmarktes von England und Irland viele Polen ins Ausland gegangen sind. In den meisten Fällen aber wollen sie nur kurzfristig dort arbeiten und mit ihrem gesparten Geld in die Heimat zurückkehren.

Viele polnische Handwerker haben früher schwarz in Deutschland gearbeitet. Nach Polens Beitritt in die EU, können sie nun ihre Tätigkeit legal ausüben. Sie müssen sich nicht länger verstecken und müssen auch keine Angst mehr haben, etwas Verbotenes zu tun. Aber das wissen nicht alle und deswegen entstehen viele Ängste und Vorurteile. Ich ärgere mich immer über die täglichen Negativschlagzeilen in der deutschen Presse, in denen polnische Handwerker generell als so genannte Scheinselbständige diffamiert werden. Viele Polen zahlen alle Steuern in Deutschland und tun nichts Unrechtes. Die negative Berichterstattung ist natürlich auch in Polen präsent. Deswegen fühlen sich die Polen eher als billige Arbeitskräfte, Diebe und arme Nachbarn betrachtet, als ein richtiger Partner für Gespräche über ein gemeinsames Europa.

Die Löhne sind nach dem EU-Beitritt kontinuierlich gestiegen. Deswegen, obwohl die Feierlaune zwar vielen inzwischen vergangen ist, kann man dennoch eine positive Bilanz ziehen. Bald fallen die Übergangsfristen weg und hoffentlich hilft es, ein besseres Europabild in Polen zu vermitteln. Dazu braucht man aber Zeit.

Die Europäische Union bedeutet für die EU-Bürger ein Europa ohne Grenzen. Ich erinnere mich noch sehr gut an lange Schlangen an der Grenze. Ich fuhr oft mit dem Bus nach Deutschland und jedes Mal musste ich mindestens eine Stunde an der Grenze warten. Jetzt, da die Zollkontrollen weggefallen sind und wir durch ganz Europa fahren dürfen, ohne unseren Pass zu zeigen, versuchen wir Wege nach Europa zu bauen. Nicht nur mentale Wege, aber auch Autowege. Es entstehen schon Prognosen von einem "Europa einig Truckerland". LKWs aus ganz Europa auf polnischen Straßen, aber die muss man erstmal bauen!!! Und hier gibt es Probleme. Polen lernt nur langsam, wie muss man die EU-Mittel nutzen kann.

Die polnische Demokratie ist jung und deswegen kommen viele Populisten zu Wort und drohen der EU: "Versinkt das vereinigte Europa also bald im Dauerstau? Werden die Autobahnen und Landstraßen von Dänemark bis Italien, von Frankreich bis Polen von den Truckern erobert? Sind Bilder von LKW-Schlangen wie in der polnischen Grenzstadt Guben, Straßenblockaden wie in Österreich oder Polen bald Alltag auf unseren europäischen Fernsehbildschirmen?"

Auf jedem Fall ist die Berichterstattung über die EU in den neuen Beitrittsländern zu gering. Das, was für die Innenpolitiker der Schengen-Länder ein wichtiger Beitrag gegen illegale Immigration oder organisierte Kriminalität ist, ist für die anderen eine neue Mauer, der Eiserne Vorhang der Festung Europa. Betroffen sind vorrangig die Polen, da diese Grenzen bislang ihr täglich Brot waren. Dort wächst die Unzufriedenheit über die soziale Lage, auch auf Grund der Unterschiede zwischen den Wachstumspolen und den peripheren Gebieten.

Die Grenzregionen im polnischen Osten fühlen als erste die negativen Auswirkungen der neuen EU-Außengrenze, die in erster Linie dem Sicherheitsbedürfnis der EU entspricht. Das regionale Wirtschaftsinteresse an einer engeren grenzüberschreitenden Zusammenarbeit mit den östlichen Nachbarn wird aber kaum berücksichtigt. Dort baut man keine Wege mehr, weil die Grenze immer noch dicht ist. Hoffentlich schafft Europa es alle Wege zu öffnen, die die Grenze im Kopf und auch geographisch überqueren. Aber dafür braucht man noch viel Arbeit und Zeit…


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