von Danijel Garic, Montenegro

Seit Jahrzehnten ist der Tourismus ein Hauptwirtschaftszweig in Montenegro. Tourismus als eine organisierte Aktivität in Montenegro bringt uns an den Anfang des 20. Jahrhunderts zurück. Bereits nach dem Zweiten Weltkrieg spielten die Einnahmen durch den Tourismus eine wichtige Rolle in der montenegrinischen Wirtschaft. In den 60er und 70er Jahren wurden viele Hotels und eine gute Infrastruktur gebaut. In den 80er Jahren war Montenegro eine sehr gut entwickelte touristische Destination.

In der neuen Ära des montenegrinischen touristischen Booms, die im Jahr 2002 begonnen hatte, wurden allerdings viele Fehler von damals übernommen. Einer der entscheidendsten war ein einseitiges Hinwenden in Richtung des russischen Marktes. Reiche Russen konnten damals die hohen Preise in Montenegro bezahlen. Sie haben in Montenegro viele Immobilien gekauft und fühlen sich heute wie Einheimische. Der größte Fehler der Montenegrinischen Nationalen Touristischen Organisation (NTO) war aber eine gleichgültige Haltung gegenüber des führenden deutschen Touristikunternehmens Neckermann.

„Willkommen in Montenegro“, war eine Hauptparole in den 80er Jahren an der montenegrinischen Küste. Auf den Hinweisschildern an den Straßen standen die Worte Zimmer, dann Rooms. Deutsche Touristen waren damals am häufigsten in Montenegro. In den 80er Jahren gab es in Montenegro über 250.000 deutsche Touristen, im Jahr 2010 nur noch etwa 20.000. Mehr als 50 Flugzeuge aus Deutschland flogen in den Sommermonaten nach Montenegro. Heutzutage gibt es keine mehr. Wie kann man deutsche Touristen wieder nach Montenegro holen? Dies ist eine Frage, die touristische Fachleute gern beantworten möchten.

Der Balkankrieg in den 90er Jahren als eine Ursache für die heutige Situation im Tourismus ist nur eine Erklärung. Das Kriegsgeschehen hat bei den montenegrinischen Nachbarn, z.B. den Kroaten die gleichen Konsequenzen verursacht. Allerdings waren im Jahr 2010 nur allein in Dubrovnik fast die gleiche Anzahl an Touristen wie an der ganzen montenegrinischen Küste. Was noch wichtiger ist, es waren zum größten Teil reiche westeuropäische Gäste, die mit Kreuzfahrtschiffen anreisten.

Zudem stellt die Neckermann-Affäre ein riesiges Problem in Montenegro dar. Die Bevölkerung hat nicht verstanden, welche Konsequenzen die Abwesenheit des größten deutschen Touristik-Veranstalters haben kann. Personen in der Touristik-Branche in Montenegro waren damals mit den Russen zufrieden, weil diese die hohen Preise bezahlen konnten. Nach den einigen Jahren ist es nun jedem klar, dass es ohne die Touristen aus dem Westen keinen Tourismus in Montenegro gibt. Heute behaupten viele Experten, dass es heute einen Ausnahmezustand im montenegrinischen Tourismus gibt. Ohne Neckermann und TUI gibt es keinen Elite-Tourismus in Montenegro.

Neckermann hat die Beziehungen zu Montenegro auf Grund der hohen und unverständlichen Preise bzw. wegen einer schlechten Preispolitik des montenegrinischen Ministeriums für Tourismus und Hotels eingestellt. Schon im Jahr 2006 hatte Neckermann klar gewarnt, dass die Hauptprobleme des montenegrinischen touristischen Angebots zu hohe Preise, Lärm, Baustellen und die schlechten Deutschkenntnisse der Angestellten im Tourismussektor seien. (Deutsch ist in Montenegro keine populäre Sprache. Die Abteilung Germanistik an der Philosophischen Fakultät in Niksic wurde 2004 gegründet. In den Schulen in der Hauptstadt Podgorica lernt man kein Deutsch. Im Gegensatz dazu sprechen in Ulcinj, in der südlichsten Stadt Montenegros fast alle Deutsch, weil es in den 80er Jahren allein in Ulcinj über 60.000 deutsche Touristen gab. Seitdem lernt man in den fast allen Schulen Deutsch). Montenegro ist auch für TUI keine „ernste Destination“, u.a. wegen der ungenügenden Unterkunftskapazitäten. Nationale Touristische Organisationen in Montenegro müssen sich jetzt auf kleineren Reiseagenturen verlassen. Viele Experten im Tourismus sind der Meinung, dass die einzige Lösung solcher Situation eine Rückkehr deutscher Gäste sei. „Die Deutschen sind die besten Gäste der Welt“, sagt man hier oft.

Das Montenegrinische Ministerium für Tourismus ist aber mit der Anzahl der westlichen Gäste in Montenegro zufrieden. In den ersten acht Monaten des Jahres 2010 haben etwa 1,1 Millionen Touristen das Land besucht. Fast 90 Prozent davon waren ausländische Touristen. Die Statistik sagt, dass die Anzahl der ausländische Touristen, verglichen mit der vor fünf Jahren, sich verdoppelt habe. Diese Statistik soll erklärt werden: Vor fünf Jahren war Montenegro in einer Staatenunion mit Serbien und Serben waren damals einheimische Gäste. Heute versteht man unter dem Begriff ausländische Touristen auch Gäste, die aus Serbien kommen. Das heißt, dass in diesen 90 Prozent der ausländischen Gäste (ungefähr 950.000) etwa 400.000 entweder aus Serbien, Bosnien oder dem Kosovo sind. Der Rest gehört zu den Touristen aus dem reichen Westen. Um genau zu sein: 26 Prozent der Touristen in Montenegro sind Gäste aus EU-Ländern.

Das Ministerium für Tourismus ist der Meinung, dass diese Statistik in einer Zeit der ökonomischen Krise gut sei. Es behauptet, das die Preise, die Neckermann angeboten habe, unannehmbar waren. Deutsche Gäste sind aber in den Jahren 2002 und 2003 nach Montenegro gefahren. Das Ministerium erklärte, dass die montenegrinischen Hotels damals alt und nicht renoviert waren. Heute jedoch gibt es viele neue Hotels, die Preise sind selbstverständlich höher. In Becici, einem Vorort der touristischen Metropole Budva, gibt es etwa zehn entweder neue oder modern renovierte Hotels. Das beste Hotel ist das Splendid, das 2006 gebaut worden ist und 60 Millionen Euro gekostet hat. Die Präsidenten-Suite im Splendid kostet 7.000 Euro täglich. Die Angestellten an der Rezeption sprechen aber kaum Deutsch. Man kann die Hotel-Web-Seite des Hotels (http://www.montenegrostars.com/web/indexspl.html) auf Montenegrinisch, Englisch, Russisch, Italienisch und Französisch lesen. Deutsch gibt es nicht. Das Splendid selbst hat eine Zusammenarbeit mit Neckermann verweigert, weil Neckermann 24 Euro für die Halbpension angeboten hat. Die Halbpension kostet jedoch 63 Euro für ein Einzelzimmer in diesem Hotel. Die Preise sind dem deutschem Gast aber sehr wichtig. Das hat die Touristische Börse in Berlin ganz klar gezeigt. Eine Erhöhung deutscher Gäste können nur die Türkei und Ägypten erwarten, weil diese beiden Urlaubsregionen weiterhin niedrige Preise anbieten können.

Viele Tourismus-Arbeiter meinen, dass Montenegro dem kroatisches Beispiel folgen sollte. Deutsche Touristen kamen im Jahr 2009 auf 115 Millionen Übernachtungen in Kroatien. Kroatien hat den deutschen Gästen etwa 2.000 Villen angeboten. Kroatische Medien behaupten, dass Deutsche ein Haus mit Swimmingpool-Pool bevorzugen, am populärsten ist aber ein Haus direkt am Strand neben einem Bootsanleger. Das größte Problem des montenegrinischen Tourismus ist jedoch die Anzahl der Fünf-Sterne-Hotels. Bis heute wurden in Montenegro etwa 20 Hotels privatisiert. Man erwartet in den nächsten Jahren, dass 95 Prozent aller touristischen Kapazitäten privatisiert werden.

Noch eine Besonderheit von Montenegro ist sehr interessant. Die Halbinsel Heiliger Stefan, Sveti Stefan (http://www.sveti-stefan.net/english/index.php) war in den 80er Jahren mit seiner typischen Mittelmeer-Architektur, dem kristallklaren Wasser und der Schönheit der kleinen Sandbuchten eine echte Perle und Attraktivität an der montenegrinischen Küste. Seit dem zweiten Weltkrieg ist die Insel mit einer Kirche in seiner Mitte bewohnt und wurde von den Einheimischen als Hotel-Insel errichtet. Touristik-Anbieter hatten damals die Idee, kleine dörfliche Häuser zu rekonstruieren und diese luxuriös einzurichten. 1963 begann die Insel ihr neues Leben als exklusive Hotel-Stadt. Viele berühmte Personen aus dem politischen und öffentlichen Leben nutzen sie als Urlaubsort: der japanische Kaiser Hirohito, Mitglieder der englischen, dänischen und anderer königlicher Familien, Karla Ponti, Sofia Loren, Kirk Douglas, Claudia Schiffer, Silvester Stallone, wie auch viele reiche Scheiche. Neben dem spezifischen Ambiente, brachten auch die hohe qualitative Leistung, die Intimität und die Diskretion, die Sveti Stefan seinen Gästen garantierte dazu, dass das Hotel zweimal den Preis Goldener Apfel für das beste Hotel Europas gewann. Natürlich folgten die Preise der Popularität. Insbesondere die Villa 118, die im Juli und August auf einer Auktion versteigert wurde. Einigen sagen, die Villa 118 wurde einmal für eine Million Euro für eine Nacht vermietet.

Seit 2007 ist die Hotel-Stadt geschlossen. Amam Ressort (der Besitzer der besten Hotels in der arabischen Welt in Dubai) hat für 30 Jahre das Hotel gemietet. 2010 hat die griechische Restis Group dort angefangen zu investieren, bis heute fast 50 Millionen Euro. Die Frage muss aber lauten, wie viel hat Montenegro wegen einer solchen Situation auf Sveti Stefan in den letzten drei Jahren verloren?

Trotz alledem sind die Ergebnisse in Tourismus relativ gut. Sie könnten aber viel besser sein. Die Potenziale sind sicher groß. Nach einem Bericht des World Travel & Tourism Council (WTTC) ist Montenegro, bezogen auf das langfristige touristische Wachstum, auf dem ersten Platz in der Welt. In Montenegro gibt es einige UNESCO-Städte, eine der 25 schönsten Buchten der Welt (die Bucht von Kotor), den zweit tiefsten Canyon der Welt (Canyon Tara), den saubersten Fluss Europas (Tara) einen der letzten Urwälder Europas (Biogradska gora), einen See, an dem noch Pelikane in Europa leben, den längsten Strand am Adriatischen Meer (Velika plaza Ulcinj), Strände mit einer perfekten Sandgranulation... in Montenegro kann man im April und Mai an einem Tag Skifahren und im Meer schwimmen. Und das alles in etwa 160 Kilometer Luftlinie von Norden bis Süden.