von Lejla Kavazović Čamdžić, Bosnien und Herzegowina

Visoko ist eine 70.000 Einwohner Stadt, die ungefähr 30 Kilometer von Sarajevo, der Hauptstadt von Bosnien und Herzegowina, entfernt ist. Über dieser Stadt, die auch als Stadt der Könige bekannt ist (da der erste König von Bosnien, Tvrtko Kotromanic I (1353-1377) ab und zu dort lebte), erhebt sich ein 213 Meter hoher Berg. Eine Pyramide! Visocica – Pyramide der Sonne, so hat der Archäologe Semir Osmanagic sie benannt. Nicht weit von ihr entfernt sind noch zwei weitere Pyramiden entdeckt worden, die Pyramide des Mondes und die des Drachens.

Eine großartige Chance bietet sich für Bosnien. Das Tor zu einer neuen Welt ist geöffnet. Die ersten Pyramiden in Europa sind entdeckt worden und sie sind vor unserer Tür. Die Wissenschaft steht Kopf, denn das bedeutet, dass man die Weltgeschichte neu schreiben muss. Diskussionen fangen an und die Pyramiden-Theorie bekommt viele Befürworter, aber auch Gegner. Die Forschungen beginnen im April des Jahres 2006. Es werden Bodenproben entnommen, Satellitenaufnahmen gemacht, Forscher aus über 20 Ländern kommen, um sich die Pyramiden näher anzugucken.

Die Satellitenaufnahmen zeigen, dass alle vier Seiten der Pyramide nach den Weltseiten orientiert sind und das ist der wichtigste Beweis dafür, dass es doch richtige Pyramiden sind, denn in der Natur gibt es keine Berge, die richtig flache Seiten haben, die sich auch nach den Himmelsrichtungen orientieren. Der Druck auf Semir Osmanagic, den Entdecker der Pyramiden, wird immer größer. Seine Gegner gehen so weit, dass sie ihn als Pseudoarchäologen bezeichnen. Kritiker und Befürworter gehen sich an den Kragen. Die bosnischen Pyramiden werden zu einem großen weltweiten Thema, so dass der National Geographic beschließt, nach Bosnien zu kommen, um einen Dokumentarfilm mit Semir Osmanagic zu drehen. Am Ende zeigt sich, dass sie sehr kritisch gegenüber dem Gedanken waren, dass Pyramiden in Bosnien und Herzegowina entdeckt wurden.

Der Geologe Dougal Jerram und der Archäologe Jerome Chapman, Professoren des Königlichen Britischen Instituts, waren, wie sie sagen, enttäuscht, dass der spannendste Fund in der Archäologie in den letzten 100 Jahren nur ein einfacher Berg ist. Sie meinen, dass alles erfunden sei und die beiden Forscher aus Großbritannien behaupten, dass es in den Pyramiden keine Tunnels gibt und dass die Volontäre die Tunnels selbst ausgraben. „Die Blöcke, die man ausgegraben hat und die auch die Seiten der Pyramiden bedecken, sind von Natur aus so entstanden. Das Material dazwischen ist auch ein Produkt der Natur“, erläuterten die beiden. Diese Meinung stößt auf heftige Kritik der Leute in Visoko aber auch in ganz Bosnien und Herzegowina. Der bosnische Archäologe Osmanagic ist sich seiner Sache sicher: „So einen Berg kann nur ein Mensch erschaffen. Die Natur kann keine richtigen Blöcke formen und sie dann auch noch nebeneinander stellen und dazwischen ein ganz anderes Material hinzufügen. Dafür ist es einfach zu offensichtlich, dass es sich um ein Werk der Menschen handelt“, sagt Osmanagic.

Unter anderem ist sich Osmanagic sicher, dass der Dokumentarfilm bestellt sei: „Hier geht es darum, dass meine Stiftung Bosnische Pyramiden keine Profit-Organisation ist. Der Regisseur hat abgelehnt mit einem der 24 Forscher zu sprechen, die sehr kompetent sind und die Pyramiden analysiert haben. Außerdem hat er in der Montage einige Aussagen herausgeschnitten. Ich finde es traurig, dass der National Geographic diese zwei Leute geschickt hat, um eine Geschichte über die Pyramiden zu machen, da die beiden Forscher nie in deren Leben eine Pyramide gesehen haben“, sagt Osmanagic.

Skeptisch sind auch einige Leute in Bosnien, besonders die Politiker, die keinen Cent für die Pyramiden spenden wollten. Da kommt wieder die Mentalität der Bosnier zum Vorschein. Warum sind wir so skeptisch uns selbst gegenüber, gegenüber allem, was von uns ist, uns gehört oder von uns gemacht wird? Das ist eine große Frage, auf die man die Antwort nicht erahnen kann. Alles, was aus dem Ausland kommt, wird als gut empfunden, obwohl es auch Mängel hat. Bosnien und Herzegowina hat die Chance, seinen Tourismus auszubauen. Warum nutzt man das nicht aus? Fragen über Fragen, aber eine Antwort zu finden, ist schwer.

Es könnte daran liegen, dass die Leute seit Hunderten von Jahren ständig in Angst gelebt haben, wenn man die historische Seite betrachtet. Der ständige Druck, die Angst, nicht das sein zu dürfen, was man eigentlich ist, ist das schlimmste, was einem Volk passieren kann.

Warum glaubt man ein paar Kindern, die behaupten, in den Wäldern im Süden von Bosnien und Herzegowina die heilige Maria gesehen zu haben, aber nicht an die Pyramiden, die sich vor unseren Augen befinden und die man sehen und bewundern kann?


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