von Milena Drzewiecka, Polen

Milena Drzewiecka schreibt, wie die Diskussion über homosexuelle Rechte im Jahr 2013 beiderseits der Oder abgekühlt ist.

Homo-Fragen werden immer lauter und lauter. Sie sind kein Tabu mehr, aber eine konkrete Lösung steht immer noch aus. In Deutschland kämpft man zurzeit um die Gleichstellung von homo- und heterosexuellen Partnerschaften, in Polen geht es zunächst einmal darum, die homosexuellen Beziehungen überhaupt gesetzlich zu regeln. Doch noch bevor das Wort Ehe fiel, haben die Politiker aufgehört, sich mit dem Thema zu beschäftigen.

Der Wahlkampf in Deutschland ist zu Ende. Die Leser, Zuschauer und Zuhörer konnten in den letzten Monaten mehr über Mindestlöhne, die Eurokrise sowie die Maut erfahren. Die Journalisten nahmen erneut Angela Merkels Garderobe unter die Lupe, die Oppositionspolitiker studierten währenddessen lieber die Vergangenheit der Kanzlerin. Von der Drohnen-Affäre über den NSA-Skandal bis hin zu syrischen Waffen reichte das Schwerpunktspektrum der diesjährigen Kampagnen. Nur ein Thema blieb in Deutschland, ebenso wie in Polen, irgendwie vor dem Wahlkampf auf der Strecke: die Homo-Ehe.

Noch im Frühling wird beiderseits der Oder heiß über das Thema diskutiert. In Deutschland ist das Urteil des Bundesverfassungsgerichts der Auslöser, in Polen indes die Ankündigung des Regierungschefs, homosexuelle Partnerschaften einzuführen. Homo-Ehe, Homo-Rechte oder Homo-Streit beherrschen die Schlagzeilen – es war das Thema der Saison. Doch wenige Monate später sind die so genannten heißen Kartoffeln kalt geworden.

Deutsche Beobachter der politischen Szene verstehen vielleicht, warum einige ihrer Politiker sich bei der heißen Homo-Diskussion nicht die Finger verbrennen wollen. Wer aber denkt, dass in Polen der Katholizismus bei der Abkühlung des Themas die Schlüsselrolle gespielt hat, der beschränkt sich auf Stereotypen. Nun ein kurzer Blick hinter die polnischen politischen Kulissen.

Die Gleichstellung nicht-ehelicher homo- und heterosexueller Partnerschaften hatte der Regierungschef und Vorsitzende der Bürgerplattform (PO) Donald Tusk schon im Wahlkampf 2011 versprochen. Wenn man über solche Länder, wie die Niederlande nachdenkt, wo Homo-Ehen erlaubt sind, klingt das Versprechen des polnischen Ministerpräsidenten vielleicht altmodisch. Für polnische Lesben und Schwule schien es damals aber ein wahrer Meilenschritt.

Die Bürgerplattform gewann die Wahlen. Und dann begann der Kampf um die Homo-Partnerschaften, vor allem innerhalb der eigenen Partei. Im Gegensatz zur CDU, sind in der Bürgerplattform die Gegner der Gleichstellung von Homosexuellen zwar in der Minderheit. Doch diese Minderheit reichte, um 2013 die Pläne von Ministerpräsident Donald Tusk zu durchkreuzen. „Das Justizministerium hält all diese Projekte für verfassungswidrig“, sagte Gowin im Parlament und brachte den Gesetzesentwurf seiner Partei, gemeinsam mit 45 weiteren Mitgliedern des konservativen Parteiflügels, in der Abstimmung zu Fall. Zwei weitere Projekte der Opposition hatten noch kleinere Chancen. Das Gesetz blieb unverändert.

Die Antwort des Regierungschefs ließ nicht lange auf sich warten: „Ansichten nach dem Motto: Da ich hetero bin, haben homosexuelle Menschen kein Recht auf Partnerschaften, will ich in der PO nicht hören“, donnerte er. Und musste sich das nein für Homo-Partnerschaften in seiner Partei später trotzdem sogar noch häufiger gefallen lassen. Und das obwohl, laut einer Untersuchung des Meinungsforschungsinstituts TNS Polska (März 2013), 47 Prozent der Polen Homo-Partnerschaften unterstützen. Aber statt über die Krise des politischen Gedankens zu diskutieren, über Toleranz und über Rechte, sinnierte man über die Krise innerhalb der Regierung und der Regierungspartei.

Das Zögern von Kanzlerin Merkel hat dem Image von Union nicht geholfen, aber der Homostreit in Polen hat der PO politisch noch mehr gekostet. Gleich in der ersten Umfrage nach der Abstimmung über die Gleichstellung eingetragener Lebenspartnerschaften, stürzte die seit Monaten mit schlechten Umfragewerten kämpfende PO hinter die Oppositionspartei PiS. Die politische Stimmung war angespannt. Ein disziplinierendes Treffen von Donald Tusk mit dem Justizminister Jarosław Gowin hat die heiße Diskussion beruhigt. Die Ruhe dauerte aber nicht lange. Nach ein paar weiteren Aussagen, diesmal zu künstlicher Befruchtung, musste Gowin seinen Posten im April räumen. Im Sommer trat der ehemalige Justizminister dann bei den Wahlen für den Parteivorsitz gegen Tusk an. Als einziger Konkurrent des langjährigen Parteichefs kam er auf 20,42 Prozent der Stimmen – ein gutes Ergebnis, mit dem kaum jemand gerechnet hatte. Und ein genehmer Ausgangspunkt, um weitere politische Pläne zu schmieden.

Im September 2013 verlässt Gowin die PO. Noch zwei weitere konservative Politiker der Bürgerplattform haben der Partei den Rücken gekehrt. Die Mehrheit der Regierungskoalition ist nach diesen Rücktritten nur noch hauchdünn. Und auch wenn die Regierung stabil bleibt, da sie in den Abstimmungen zum Beispiel auf ehemalige Abgeordnete der linksliberalen Partei Ruch Palikota zählen kann - mit einer Einführung homosexueller Partnerschaften rechnet hier heutzutage niemand mehr. Zumindest nicht in dieser Legislaturperiode. Die links-liberalen Parteien SLD und Ruch Palikota kommen zwar ab und zu auf das Thema zurück, aber zurzeit können sie in dieser Hinsicht nicht viel mehr bewirken, als die FDP in Deutschland.

Auch die polnische Regierungspartei hat nicht genug Macht, um sich mit Homo-Ehen zu beschäftigen, ohne ernsthafte Konflikte auszulösen. Und Donald Tusk mag keine Konflikte. In diesem Sinne ähnelt er Angela Merkel. Und so bleiben die Homo Fragen (in unterschiedlicher Form) wie die kühlen Kartoffeln auf der einen und der zweiten Seite der Oder. Kann man sie erwärmen, um die Probleme zu lösen? Es muss sich aber lohnen. Und in Deutschland lohnt sich das Thema Mindestlohn momentan mehr.


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