von Auksé Kancerevičiūtė, Litauen

Migration bzw. Auswanderung ist eine bekannte Erscheinung in Litauen. In den letzten 20 Jahren sind circa zehn Prozent der litauischen Bürger emigriert und viele Litauer arbeiten dauerhaft im Ausland, darunter auch zahlreiche Kulturschaffende.

Seit der erneuten Unabhängigkeit 1990 haben 404.000 litauische Bürger ihr Heimatland verlassen. Mit dem Beitritt in die Europäische Union 2004 und nach der Öffnung des Landes in Richtung Westen, hat sich die Arbeitsmigration noch verstärkt. Seitdem berichtet das Litauische Migrationsamt, dass Litauen das Land in der EU mit den meisten Auswanderern (pro tausend Einwohner) ist. Das heißt, bis zu eine Million Litauer leben im Ausland, die meisten in den USA (Chicago), Irland, Großbritannien (London), Spanien und teilweise in Deutschland, Schweden und Norwegen.

Die Migrationsmotive der Litauer sind meist ökonomischer Natur – sie versuchen vor allem in den EU-Ländern Geld zu verdienen, da die litauische Wirtschaft den Prozess der Umgestaltung durchläuft. Außerdem kann eine einfache, gering qualifizierte Arbeit in Litauen nur eine ärmliche Existenz garantieren. Erntehefter, Maurer, Aushilfen oder Krankenschwestern können drei Mal mehr im Ausland als zu Hause verdienen. Am schlimmsten ist jedoch, dass auch hochqualifizierte Professionen auswandern: Ärzte, Wissenschaftler oder Künstler, da größere Länder ein breiteres Spektrum an Möglichkeiten bieten können.

Die Prognosen zum Einfluss der Migration für Litauen sind voller Widersprüche. Bei weiterem negativen Andauern kann dies auch demographische Probleme hervorrufen. Dazu gehört die Geburtenzahl, die sich immer mehr verringert, weil meist junge Menschen emigrieren. Mittlerweile werden in Litauen zwei Mal weniger Kinder geboren als noch vor 16 oder 17 Jahren. Mitte 2006 lebten in Litauen ca. 3,4 Millionen Menschen, 2012 waren es nur noch circa drei Millionen Einwohner. Nach Angaben des Migrationsamtes ist Litauen im Vergleich zu den anderen baltischen Ländern das Land mit den höchsten Asylbewerberzahlen. Im europaweiten Vergleich ist die Zahl jedoch gering.

Trotzdem betrachtet sich Litauen als multi-ethnischen Staat, litauische Staatsbürger können sich zu unterschiedlichen ethnischen Gruppen bekennen. Im Zensus wird sowohl nach Staatsangehörigkeit als auch nach ethnischer Zugehörigkeit gefragt. Dem Zensus 2001 zufolge stellen die Litauer mit 83,5 Prozent die ethnische Mehrheit. Polen sind mit einem Anteil von 6,7 Prozent an der Gesamtbevölkerung die größte der Minderheitengruppen, gefolgt von Russen (6,3 Prozent), Weißrussen (1,2 Prozent), und Ukrainern (0,7 Prozent). Juden, Deutsche, Tataren, Letten, Roma, Armenier und sonstige Gruppen machten zusammen 0,7 Prozent der Bevölkerung aus. Insgesamt 0,9 Prozent der Bevölkerung machte keine Angaben zur Ethnizität.

Litauer haben ein insgesamt positives Verhältnis zu ihren nationalen Minderheiten, auch wenn Diskriminierung nicht auszuschließen ist. Maßnahmen zur Integration sind gleichermaßen an ausländische Staatsbürger und ethnische Minderheiten gerichtet. Mit einem Anteil von rund 83,5 Prozent ethnischer Litauer ist Litauen das baltische Land, in dem die ethnisch baltische Bevölkerung am deutlichsten in der Mehrheit ist. Zum Vergleich verzeichnet Estland einen Anteil von 68 Prozent ethnischer Esten, Lettland 59 Prozent ethnischer Letten. In beiden Ländern sind die Anteile ethnischer Russen deutlich höher. Eine Besonderheit bilden die ostlitauischen Gebiete, in denen die Litauer nur rund die Hälfte der Bevölkerung ausmachen, gefolgt von den dort autochthonen Polen, die ein Drittel der Bevölkerung stellen. In einigen Gebieten nahe der polnischen Grenze sind ethnische Polen deutlich in der Mehrheit. Im Gegensatz dazu konzentriert sich die Gruppe der Russen zwar auf einige Gebiete in Litauen, stellt aber nirgendwo die Mehrheit.


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