von Jan Brož, Tschechische Republik

Die Befürchtungen vieler Tschechen schienen damit bestätig zu werden. Der Dschihad hat Anfang September 2017 endgültig auch das Land an der Moldau erreicht. Auch wenn nicht durch seine Gewalttaten, aber mindestens durch seine Ideologie. Ein Ausländer aus einem nicht genannten Land beschmierte die Statue des Heiligen Franziskus an der Prager Karlsbrücke, teilte die Polizei mit. Der Sockel des Heiligen wurde durch eine grüne Aufschrift in arabischer Sprache entheiligt (1).

Kurz entstand die Hoffnung, es könnte auch das Ereignis sein, das dem antiislamischen Spektrum auf dem stark polarisierten tschechischen Medienmarkt wichtige Punkte bringen könnte. Genau so wie die breite Öffentlichkeit sind nämlich in der Flüchtlingsfrage auch die früher befreundeten tschechische Medien gespalten. Redaktion gegen Redaktion, Kollegen gegen Kollegen. Man traut sich nicht, beschimpft sich auf den sozialen Netzwerken und geht dabei oft unter die Gürtellinie. Und verstößt gegen das, was man auf den journalistischen Hochschulen gelernt hat.

Bis dahin hat dabei der islamische Fundamentalismus das Land gemieden. In der Tschechischen Republik kam es im Unterschied zu anderen europäischen Ländern nie zu einem islamisch motivierten terroristischen Anschlag. Die Zahl der in dem Land lebenden Moslems ist mit 20.000 Gläubigen absolut unbedeutend. Es gibt nur zwei Moscheen, eine in Prag und eine in Brünn (2). Und wenn man in diesem Zusammenhang von Terrorismus sprechen sollte, dann eher von dem seitens der Rechtsextremisten. Die Gebetstätten wurden in der Vergangenheit mit Schweineblut beschmutzt.

Trotzdem haben 66 Prozent der Tschechen Angst vor dem Islam (3). Diese Uneinigkeit zwischen persönlicher Einstellung und Wirklichkeit musste sich auswirken. Seit der Flüchtlingskrise 2015 kam es deswegen zu erhöhter Spannung zwischen den tschechischen Medien und dem Publikum, und bald dann auch zwischen den Medien selbst.

Ähnlich wie in Deutschland wurden die Berichterstatter wiederholt beschuldigt, über die Straftaten der Moslems und der Flüchtlinge zu schweigen. Großes Interesse erweckte zum Beispiel die Nachricht über die Vergewaltigung zweier Minderjähriger und den Überfall auf eine Tankstelle durch Flüchtlinge, die sich auf sozialen Netzen verbreitete. Die Medien und die Polizei schweigen, hieß es damals. Dass die Medien und die Polizei aus dem einfachen Grund schwiegen, weil es zu keinem solchen Ereignis gekommen ist, akzeptieren viele nicht (4).

„Es ist zwar nicht wahr, aber es könnte die Wahrheit sein“, ist in solchen Fällen bei Vielen die typische Reaktion. Dabei kann es aus der Sicht der Medien noch relativ positiv bewertet werden, weil es der Berichterstattung einen gewissen Grad an Glaubwürdigkeit übriglässt. Bei einem nicht unbedeutenden Teil des Publikums traf aber auch das Schlagwort „Lügenpresse“ auf offene Ohren.

Ein Teil der Medien passte sich der Nachfrage an. Auf eine geleakte Audioaufnahme aus einer Redaktionssitzung des TV Senders Prima werden zum Beispiel die Redakteure von der Chefredaktion aufgefordert, über Flüchtlinge ausschließlich negativ zu Berichten (5). Der Wochenmagazin Týden veröffentlichte wiederum ein Interview mit einer zum Islam konvertierten Tschechin. Für die Titelseite haben die Grafiker der Frau in Photoshop ein Kopftuch dazu gemalt, obwohl sie selbst es nicht trug (6). Andere passten sich an, ohne die Tatsachen zu verdrehen. Die meistgelesene seriöse Tageszeitung MF Dnes wurde kritisiert, überproportional viel Platz dem Mord an der Freiburger Studentin auf der Titelseite zu widmen, als es der Wichtigkeit des Themas für tschechische Publikum entsprechen würde.

Diese Fehlgriffe wurden von anderen Medien heftig kritisiert. Wobei erwähnt werden muss, dass es nicht immer mit korrekten Mitteln geschah. Zum Beispiel veröffentlichte der sonst angesehene Investigativ-Server Hlidacipes.org eine Analyse, die beweisen sollte, das MF Dnes über die Flüchtlingskrise überwiegend negativ und mit Verwendung von Stereotypen berichtet hat, wobei die Immigranten selbst nicht zu Wort kommen (7). Der Autor dieses Textes hat damals kurzfristig in der Auslandsredaktion von MF Dnes gearbeitet. Mehrere seiner Texte, die der Behauptung widersprechen, würden bei der Analyse nicht berücksichtigt.

In dieser Atmosphäre entstand eine bis dahin nicht dagewesene Polarisierung in der medialen Szene selbst, die ins Absurde geht. Für viele Kollegen ist es zum Hobby geworden, gleich morgen in der Früh am Kiosk die Titelseite der gehassten Konkurrenz zu fotografieren, um über die dann auf sozialen Netzwerken zu schimpfen.

Arabische Heiligenschänder auf der Karlsbrücke, also auf einem dem wichtigsten Orten für das tschechische Volk, könnte zu scharfe Munition für die islamkritische Seite dieses Streits werden. Nach der ersten Empörung kam aber schnell die Fassungslosigkeit auf beiden Seiten. Die Übersetzer entschlüsselten die arabische Aufschrift. Auf der Statue des Heiligen Franziskus stand auf Arabisch „Heilige Franziskus“.

Der Erklärung des Täters, er wollte seinen Landsleuten helfen zu wissen, wo sie sich befinden, kann man glauben oder nicht. Was sollen aber die Medien damit anfangen? Wie soll man damit vor der Gefahr der Islamisierung warnen? Oder die Vorteile eine multikulturellen Gesellschaft hervorheben werden? Überhaupt nicht. Das Ereignis an sich ist so bizarr wie Medienstreit selbst. Dar Kampf der tschechischen Journalisten kann aber weitergehen.

(1) https://praha.idnes.cz/praha-praha-1-prazska-policie-karluv-most-arabsky-napis-pgi-/praha-zpravy.aspx?c=A170904_111312_praha-zpravy_turc

(2) http://www.praha-muslim.cz/mosques.htm

(3) http://www.phoenixresearch.cz/aktuality/2997-temer-sedmdesat-procent-respondentu-se-obava-islamu.htm

(4) https://echo24.cz/a/wbk3r/uprchlici-znasilnili-dve-holcicky-autorovi-hoaxu-hrozi-vezeni

(5) http://hlidacipes.org/nahravka-z-porady-zpravodajstvi-tv-prima/

(6) https://zpravy.aktualne.cz/domaci/casopis-domaloval-ceske-muslimce-hidzab-blondyna-by-tema-spa/r~ca0276fecfe311e5aa720025900fea04/

(7) http://hlidacipes.org/zvladlo-cesko-apokalypsu-jak-obstala-media-v-dobe-migracni-krize/