von Vladimir Kozlovskii, Russische Föderation


Nach einer kurzen Periode der Medienfreiheit und Meinungsvielfalt in Russland, der sogenannten "Glasnost" (Offenheit) Ende der 1980er und Anfang der 1990er Jahre, befinden sich wieder alle wichtigen TV- und Radiosender unter der starken Kontrolle der russischen Regierung und den kremlnahen Oligarchen aus dem Kreis der zunächst Elzin-, dann Putin-Freunde (wie z.B. Boris Berezovsky oder Juriy Kovalchuk). Die Gründe dafür liegen im politischen Bereich und selbstverständlich beeinflussen sie die Entwicklung sowohl der Medien- und Meinungsvielfalt als auch die Interdependenzen von Informationen.

Gut gelenkte und tief integrierte Rundfunksender agieren in der Medien-Agenda der russischen Regierung ziemlich effizient im Bereich der Propaganda und Volksverdummung. Aber das schafft neue große Probleme. Erstens, fast alle kritischen, selbst denkenden und politisch engagierten Bürger bewerten diese Berichterstattung mit Skepsis als unrealistisch, einseitig und ziemlich lügnerisch. Zweitens, geht das Feedback oder die Rückmeldung vom Empfänger zurück an den Sender verloren. Die beiden Seiten leben in ihrer eigenen Wirklichkeit. Staatliche und private (meist oligarchische) Medien agieren ohne zu reagieren.

Um dieses Problem zu lösen, hat der damalige russische „liberale“ Präsident Dmitry Medvedev im Dezember 2011 vorgeschlagen, einen prinzipiell neuen Fernsehsender in Form des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nach dem Vorbild der BBC in England oder der ARD in Deutschland zu gründen. Im Prinzip sollte ein neuer TV-Sender – öffentlich-rechtlicher Fernsehsender Russlands (OTR) – völlig unabhängig sowohl vom Staat, als auch von machtvollen Interessengruppen sein. Das Problem besteht jedoch darin, dass Medvedev die öffentlich-rechtlichen Medien ohne eine bürgerliche Gesellschaft direkt „von oben“ aufbauen wollte. Zum Chef des neuen Senders ernannte Medvedev Anatolij Lysenko, einen 76 Jahre alten Veteranen des Sowjet-Fernsehens. Am 19. Mai 2013 fing der Sender mit der Berichterstattung an.

Noch ein weiteres großes Problem liegt beim Geschäftsmodell und den Finanzierungsquellen des neuen Senders. Um das Prinzip "Wes Brot ich ess, des Lied ich sing" zu bewältigen, wurde entschieden, dass man Gelder nicht nur durch den Staatshaushalt, sondern auch durch verschiedene Stiftungstypen erhält. Aber bis heute bekommt OTR 65 % der Finanzierung direkt vom Staat.

Dennoch ist OTR bis heute der einzig freie kostenlose TV-Sender mit einer föderalen Struktur in der russischen Medienlandschaft, der sich mit wichtigen gesellschaftlichen Themen und Problemen statt mit Propaganda beschäftigt. Und das ist ein großer Schritt in Richtung Meinungsvielfalt, Medienfreiheit und Demokratie in Russland.