30.09.2005 von Dragomir Ivanov, Bulgarien

Ataka und die Wiedergeburt des bulgarischen Nationalismus

Die letzten Parlamentswahlen in Bulgarien, die am 25. Juni 2005 stattfanden, haben erneut die enormen Fähigkeiten der nationalistischen Ideologien auf dem Balkan bewiesen. Eine neue Partei unter dem Namen "Ataka" ("Attacke") überraschte mit einem Wahlergebnis von über 8 Prozent und trat als viertstärkste Formation in die neue Volksversammlung ein. Die regierende Partei des ehemaligen Königs Simeon Sachsen-Coburg und Gotha (bulgarisch: "Sakskoburggotski") erlebte eine deftige Niederlage und kam nur auf knapp 20 Prozent der Stimmen. Die Sozialisten (BSP), die Nachfolger der früheren kommunistischen Partei, gewannen die Wahlen, nachdem sie in den letzten 8 Jahren in der Opposition agierten. Die BSP verfügte aber über keine eigene Mehrheit und brauchte einen Koalitionspartner, um eine stabile Regierung zu bilden. Die Verhandlungen dauerten fast einen Monat, in dem man in Sofia Gerüchte über alle möglichen Kooperationen, Vereinbarungen und politische Geschäfte hörte. Endlich kam es zur Regierungsbildung und zwar in Form einer großen Koalition: Die Nationalbewegung des Zaren kooperierte mit den Sozialisten und der Minderheitspartei der bulgarischen Türken, die 12,5 Prozent erreichten. Zum Missfallen vieler bulgarischer Bürger kamen die drei konservativen Formationen gar nicht ins Spiel, denn sie erhielten zusammen weniger Stimmen als die zweitstärkste Partei, die Simeon-Bewegung.

Während der Koalitionsgespräche im Juni und Juli war zu bemerken, wie instabil und undiszipliniert die "Ataka"-Partei ist. Beim ersten Versuch, das Regierungsteam unter der Führung des jungen Sozialistenchefs Sergej Stanischew im Parlament zu wählen, gaben drei nationalistische Abgeordnete ihre Zustimmung für das vorgeschlagene Kabinett, obwohl die Führung von "Ataka" vorher eine klare Absage versprochen hatte. So kam es zu schweren Auseinandersetzungen in der Partei, die drei Abgeordneten wurden zu Verrätern erklärt und mussten die Fraktion verlassen. Später verabschiedete sich noch ein "Ataka"-Abgeordneter von seinen Kollegen, weil er die autoritären Methoden der Parteispitze öffentlich kritisierte.

In gewisser Hinsicht war der Wahlerfolg von "Ataka" die brillante Krönung ihres Gründers und Führers Wollen Siderow. Lange Jahre bearbeitete der Journalist das Thema Nationalismus in Bulgarien, ohne das die Öffentlichkeit das als wichtige Entwicklung registriert und oder darauf reagiert hätte. Siderow machte eine brisante politische Karriere: In den letzten Jahren des Kommunismus war er Fotograf beim Literaturmuseum in Sofia, verspürte jedoch rechtzeitig den "Wind of Change" und schloss sich den ersten oppositionellen Kreisen an. Das ermöglichte ihm, nach der Wende 1989, zum Chefredakteur der ersten demokratischen Zeitung ("Demokratsija") aufzusteigen. Diese Tatsache aus seiner Biographie ruft bis jetzt kritische Bemerkungen zu den Parteien im Rechtspektrum hervor, und vor allem zur Union der demokratischen Kräfte (SDS) des ehemaligen Ministerpräsidenten Iwan Kostow (1997-2001), die eine Zersplitterung erlebte und schon mehr als 4 Jahre aus der tiefen Identitätskrise noch nicht herausgefunden hat.

Im Lebenslauf Siderows sind auch andere interessante Wendepunkte zu sehen. Er war u.a. Journalist bei der Zeitung "Monitor", die mit ihrer antisemitischen Rhetorik ein großes Publikum in Bulgarien findet. In dieser Zeit schrieb Siderow ein paar Bücher über die "globale Verschwörung der Juden", die in großen Auflagen gedruckt wurden. Sein Buch "Der Bumerang des Bösen" z. B. steht auch heute neben Hitlers "Mein Kampf" zum freien Verkauf am offenen Buchmarkt am Sofioter "Slawejkow"-Platz. Der Verlag, der diese Titel herausgab, lancierte zudem die Reden von Goebbels und andere nazistische Inhalte.

Siderow pflegt die antisemitische Propaganda, die er mit Rhetorik gegen Türken, Roma (Sinti) und gegen die Amerikaner verband. Zur Vermarktung seiner Ideen benutzte er eine eigene TV-Sendung im Kabelfernsehen, die auch den Namen "Ataka" trägt. Da konnte man in den Wochen vor den Wahlen sehr viel von der bekannten Stilistik des Nationalsozialismus hören, übersetzt für die Bulgaren in einfache Parolen: Austritt aus der NATO, keinen EU-Beitritt um jeden Preis (Siderow äußerte sich z.B. gegen die mit Brüssel vereinbarte Schließung des AKW "Kozloduj" an der Donau), Strafverfolgung gegen korrumpierte Politiker etc. In der Wahlkampagne erschien Siderow mit den klassischen Nazi-Attributen auf der Bühne: in schwarzer Lederjacke, mit hartem Gesicht und lauter Stimme. Ein paar TV-Aufnahmen dokumentieren sogar den Hitlergruß, mit dem er das Publikum auf einer Wahldemonstration in einer bulgarischen Provinzstadt empfängt.

Es ist noch zu früh um zu sagen, wie seine Partei sich in den kommenden Monaten entwickeln wird. Sicher ist natürlich, dass der Nationalismus von "Ataka" die Demokratisierungsprozesse in Bulgarien weiter erschwert und für neue Herausforderungen für die junge politische Klasse Bulgariens sorgt.
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