In Polen leben und arbeiten, neben Italien, die meisten Exorzisten Europas. Vor allem haben sie es auf Wahrsager, Yoga-Lehrer und Wunderheiler abgesehen.
Und da war der Teufel plötzlich wieder in aller Munde. Im September 2012 erschien in Polen die erste Ausgabe des Monatsmagazins Egzorcysta, zu Deutsch Der Exorzist. „Vielleicht existiert er doch...“ gibt die Titelseite zu Bedenken. Vom Deckblatt streckt Anthony Hopkins im Priestergewand dem Leser mit entschlossener Geste ein Holzkreuz entgegen. Es ist eine Szene aus dem Horrorfilm „The Rite - Das Ritual". Auch die anderen Themen der Ausgabe könnten Titel von US-Blockbustern sein: „Man diskutiert nicht mit Dämonen - Im Gespräch mit einem Exorzisten“, „Brief aus dem Jenseits - Die erschütternde Beichte einer Verdammten“ oder „Rettende Sekunden - Wie man sein Kind schützt“. Die Neuerscheinung versteht sich als ein „modernes Werkzeug der Evangelisierung und Schutzvorkehrung gegen die aggressive Bewerbung von Magie und Okkultismus“ und will nicht zuletzt auch Jugendliche ansprechen.
Dass die Zeitschrift entstehen konnte, erfülle ihn mit großer Freude und Hoffnung, sagt Exorzist Andrzej Grefkowicz vom Programmrat des Monatsblattes. Denn heutzutage würden selbst im traditionell katholischen Polen auf die frommen Christen immer mehr spirituelle Gefahren lauern: Ob Yoga, fernöstliche Kampfkünste, Homöopathie oder Hellingersche Therapie – die New Age-Ideologie ziehe immer weitere Kreise. Und geht es nach Grefkowicz, stellt New Age in all seinen Erscheinungsformen ein ernstzunehmendes spirituelles Risiko dar. „Wenn wir die Quelle der Energien, von denen bei all diesen Methoden die Rede ist, nicht klar benennen können, dann sind sie aller Wahrscheinlichkeit nach dämonischen Ursprungs“, ist der Warschauer Geistliche überzeugt.
Seit der Wende ist die Zahl der Exorzisten in Polen drastisch gestiegen. Während in den frühen neunziger Jahren landesweit noch vier vom Bischof ernannte Teufelsaustreiber tätig waren, sind es heute in den 27 Diözesen schon über 130 – mehr hat nur die Kirche in Italien angestellt. Und obwohl jährlich neue hinzukommen, haben die Geisterbeschwörer immer noch alle Hände voll zu tun. In Warschau etwa, wo derzeit vier Exorzisten ihren Dienst tun, müssen Interessenten eine Wartezeit von bis zu sechs Wochen in Kauf nehmen, um einen Termin zu ergattern. Vorher führt sie der Weg noch über eine psychologische Beratungsstelle. „Fünf Psychologen und ein Psychiater diagnostizieren hier, inwiefern der Betroffene auch von rein psychologischer Hilfe profitieren könnte“, erklärt Andrzej Mielecki, der seit drei Jahren mit der kirchenfinanzierten Anlaufstelle zusammenarbeitet. Laut Mielecki werden allerdings anschließend knapp drei Viertel der Hilfesuchenden zu einem Exorzisten weitergeleitet.
Durch die Monatszeitschrift Der Exorzist, deren ursprüngliche Auflage von 15.000 Stück in den vergangenen Monaten mehrmals angehoben wurde, dürfte die Nachfrage nach Teufelsaustreibungen in Polen künftig noch weiter steigen. Nicht jedoch zu aller Zufriedenheit. Die schwarz-weiße Rhetorik, die insbesondere das Publikum des erzkatholischen Senders Radio Maryja anspreche, stärke zusätzlich die sowieso schon ausgeprägten fundamentalistisch-katholischen Haltungen in der Gesellschaft, bemängelt etwa die Religionssoziologin Professor Maria Libiszowska-Żółtkowska. Zudem würden psychologische Probleme in den Artikeln unnötig dämonisiert. „Es ist immer einfacher, dem Teufel die Schuld zuzuschieben, als die eigenen Schattenseiten anzuerkennen“, sagt Libiszowska-Żółtkowska. Der Jesuitenpater Waclaw Oszajca wiederum hadert insbesondere mit der Sensationsheischerei, der um das Magazin versammelten Geistlichen: „Das Buch der Exorzismen gebietet ausdrücklich, die Rituale diskret, in einem geschlossenen Raum, durchzuführen. Es sieht aber ganz danach aus, dass es vielen Exorzisten Spaß macht, pikante Einzelheiten in die Öffentlichkeit zu tragen“, ärgert sich der Theologe. Und die renommierte katholische Wochenzeitschrift hat den Herausgebern Des Exorzisten vorgeworfen, mit der Dämonisierung von Yoga-Übungen und Buddha-Figuren genau jenes magische Denken in der Gesellschaft zu verbreiten, das sie in der Zeitschrift selbst so vehement anprangern.
Über ein Jahr schon malt das Team vom Polnischen Enzyklopädie-Verlag Polwen den Polen Monat für Monat den Teufel an die Wand. Offenbar mit Erfolg. Noch nie konnten sich so viele Exorzisten im hellen Schein der Medienaufmerksamkeit sonnen, seit langem traten so viele Katholiken anderen Traditionen auch nicht mehr mit so viel Skepsis gegenüber. Ob all das den polnischen Katholizismus stärkt, steht jedoch schon auf einem anderen Blatt. Denn vor lauter Höllenangst scheint die Gefahr für Leser und Autoren groß, Gott und die Welt völlig zu vergessen.
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