30.09.2013 von Daniela Spasova, Bulgarien

Die Proteste in Bulgarien

In den traditionell multinationale Staaten Deutschland und Russland – die nichtdeutsche und nichtrussische Bevölkerung verschiedener Nationalität schwankte in den unterschiedlichen Etappen der Staatentwicklungen zahlenmäßig im Verhältnis zur Gesamteinwohnerzahl der Länder – wurden zivile Formen der Koexistenz und des Zusammenwirkens von Minderheiten unter der Vorherrschaft der russischen oder deutschen Kultur entwickelt. Selbstverständlich erschwerte das Leben in einer fremden Kultur, in einer fremdsprachigen und oft konfessionellen anders orientierten Umgebung die Lage der nationalen Minderheiten. Zwischen der vollkommenen Assimilation und der nationalen Abgeschlossenheit haben die aus Russland stammenden Deutschen in Deutschland ein ganzes System von selbsttätigen Kulturinstitutionen zur Erhaltung ihrer kulturellen Eigenarten entwickelt.

Deutschsprachige Presse in Russland

Die deutsche Presse in Russland hat eine lange Geschichte. Die erste deutschsprachige Zeitung ist 300 Jahren alt. Das war überhaupt die erste Zeitung in Russland. Entsprechend den Veränderungen in der staatlichen Minderheitspolitik des zaristischen Russlands, die stets russisch orientierte war, erhielt die Presse der nationalen Minderheiten mehr oder weniger viel Handlungsfreiheit und existierte schon seit dem 18. Jahrhundert.

Als Pionierzeitung gilt die deutsche „St. Petersburger Zeitung”, deren erste Ausgabe 1727 erschien und die auch heute noch existiert. Im Mai 1825 erhielt die Zeitung den Namen „St. Petersburger Zeitung” und von August 1914 bis Ende 1916 wurde sie unter dem Namen „Petrograder Zeitung” herausgegeben. So gab es in Sankt Petersburg fast 190 Jahre lang eine deutschsprachige Zeitung. Erst im Verlauf des Ersten Weltkrieges wurde ihr Erscheinen eingestellt.

Die deutsche „St. Petersburger Zeitung” war lange Zeit die einzige Zeitung für die deutsche Minderheit in St. Petersburg. Sie versuchte durch zahlreiche Beilagen die soziale Struktur der deutschen Bevölkerung, ihre beruflichen und kulturellen Interessen zu berücksichtigen. Die Wiederbelebung der deutschsprachigen Presse ist mit der Oktoberrevolution 1917 und der Politik des proletarischen Internationalismus verbunden, die zum führenden Prinzip bei der Lösung der national-kolonialen Frage und im Kampf gegen den Weltkrieg proklamiert wurde. Die Presse der nationalen Minderheiten, darunter auch die deutsche, ist bereits seit den zwanziger Jahren ausnahmslos sowjetisch und von der Partei bestimmt.

Ende der 30er Jahre erlitten besonders die so genannten „ausländischen” nationalen Minderheiten schwere Verluste. Die Russlanddeutschen und politische Emigranten, in deren Heimat sich faschistische Regime auszubreiten begannen, waren unter den ersten, die unter kulturellen Einschränkungen litten und später auch als erste politischen Repressionen ausgesetzt wurden. Der Krieg hat dann die letzten Überbleibsel deutscher Kultur in der UdSSR vernichtet. Ende der 80er, Anfang der 90er Jahre begann die Wiedergeburt des nationalen Kulturlebens der russischen Deutschen. Seit 1991 erscheint in der Stadt die zweisprachige deutsch-russische „St. Petersburger Zeitung” und die „Moskauer Zeitung“, herausgegeben von der Deutschen Gesellschaft nicht nur in St. Petersburg und in Moskau sonder auch in anderen Städten und Regionen der Russischen Föderation gibt es wieder eine aktive deutschsprachige Presse. Ein ständiger Erfahrungsaustausch mit den Journalisten aus Deutschland wird praktiziert, indem Vertreter verschiedener deutscher Massenmedien dort Praktika machen.

Heute ist die Zielgruppe riesengroß: Deutsche, die schon viele Jahren in Russland wohnen, deren Kinder und Enkel, Deutsche, die nur wenig in Russland sind, Geschäftsleute, Touristen, Studenten und Schüler, die Deutsch lernen. Derzeit haben beide Zeitungen große wirtschaftliche Probleme, die entscheidend für die Zukunft sein werden: die Zahl der Auflage, die immer geringeren Werbeeinnahmen. Trotzdem bereichern die deutschen Zeitungen und Zeitschriften den Pressemarkt in Russland.

Russischsprachige Presse in Deutschland

Anfang der 90er Jahre stiegen die Aussiedlerzahlen sprunghaft an und erreichten Dimensionen, von denen kaum ein Russlanddeutscher oder Jude zu träumen gewagt hatte. Die Veränderungen in der Sowjetunion und die Perestrojka seit dem Mauerfall hat eine neue, durch ethnische Mechanismen geprägte Immigrationsform aus der ehemaligen Sowjetunion in Bewegung gesetzt: Kontingentflüchtlinge jüdischer Herkunft und deutschstämmige Aussiedler bilden zwei Hauptgruppen der russischsprachigen Diaspora in Deutschland.

Die größte russischsprachige Gemeinde in Deutschland findet sich in Berlin und damit auch die größte russischsprachige Zeitung „Russisches Berlin“. Hier leben ca. 100.000 post-sowjetische Immigranten verschiedener Ethnien, Migrationswege und regionaler Herkunft. Berlin ist eine große Metropole und Kulturstadt. Berlin demonstriert das Zusammenwachsen des ehemals geteilten Landes und Europas. Hier bündeln sich die unterschiedlichen politischen, kulturellen und historischen Erfahrungen. Eine wichtige Rolle für die Bildung der russischsprachige Gemeine spielt die russischsprachige Presse in Deutschland. Sie spiegelt nicht nur die Interessen sondern auch den Alltag und die Probleme russischsprachiger Gemeinde in Deutschland. Verbreitung und Verkauf der russischsprachigen Presse wird über russische und jüdische Geschäfte, Reisebüros in verschiedenen Städten organisiert, da wo es Gemeinden gibt. Die Auflage sind ziemlich hoch und die Einnahme aus Anzeigen gut.

Die Zielgruppe sind: Russlanddeutsche, Menschen jüdischer Abstammung und alle anderen russischsprachigen Migranten aus den GUS-Staaten, Touristen und Geschäftsleute. Die russischsprachige Presse in Deutschland erfüllt für russischsprachige Leser dieselben Funktionen wie andere Medien in Deutschland: sie informieren, unterhalten, bilden aus. Diese Zeitungen und Magazine gehören Jüdischen Gemeinde oder privaten Verlegern.

Das Auditorium der russischsprachigen Presse ist kleiner als das der deutschen Presse. Trotzdem spielt die russischsprachige Presse eine wichtige Rolle bei der Integration der verschiedenen Gruppen, bietet den Neuankömmlingen Lebenshilfe und informiert sowohl über die alte wie auch über die neue Heimat. Sie sind zudem auch wichtige Indikatoren von Veränderungen innerhalb dieser Gruppen.

Der Großteil dieser Zeitungen zielt auf russlanddeutsches Lesepublikum ab. Durch die enge thematische Verknüpfung der Zeitungsinhalte mit dem deutschen Lebensumfeld finden sich vielfältige Beeinflussungen des Russischen in diesen Zeitungen durch das Deutsche, und zwar vorwiegend im Bereich des Wortschatzes. Einige der Zeitung oder Zeitschrift werden zweisprachig (deutsch / russisch) publiziert und haben sich zudem auf Privatanzeigen in russischer Sprache spezialisieren, z.B. „Russisches Berlin“. Zugleich gibt es in Berlin eine große Zahl von jüdischen Zeitungen und Zeitschriften sowie Verlage. Es gibt Unterschiede zwischen russlanddeutschen Zeitungen und jüdischen Zeitungen, die oft alte jüdische Traditionen und Familienbeziehungen thematisieren. Schwerpunkte sind die Berichterstattung über jüdisches Leben in Deutschland in seinen vielfältigen Aspekten oder den Belangen, die die Mitglieder der Gemeinde betreffen. Kulturelle Themen nehmen einen sehr breiten Raum ein. Auch unterschiedliche Bereiche des Gemeindelebens werden vorgestellt. Es gibt eine Israelseite, sowie Regionalseiten zu München und Berlin. Auch Auslegungen zu den Wochenabschnitten der Tora von unterschiedlichen Rabbinern sind fester Bestandteil des Blattes. Einige Ausgaben wenden sich an das Zentralorgan des Zentralrats der Juden in Deutschland und laden ihre Leser, Jüdinnen und Juden aus unterschiedlichen europäischen Ländern von orthodox bis säkular ein um ihre Perspektiven zu einem Schwerpunktthema, z.B. „Jüdische Identität“ darzustellen. Aber auch Berichterstattung über politische Themen, z.B. über Israel mit einem Pressespiegel israelischer Zeitungen, jüdische Religion, Kultur, jüdische Gemeinden, internationale jüdische Kongresse, Lebenshilfe- und Gesundheitsseiten sowie Entwicklungen jüdischen Lebens in den ehemaligen GUS-Staaten findet statt.
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