30.09.2012 von Kornélia R. Kiss, Ungarn

Flucht nach vorn – Wie werden gedruckte Zeitungen das Web 2.0 überleben?

Wollen die Belarussen nach Europa? Welche Beziehungen sollen wir mit unseren Nachbarländern aufbauen? Es soll nicht wie in einem russischen Märchen laufen: ein Schwan, ein Hecht und ein Hummer ziehen ihren Wagen in verschiedene Richtungen und verstehen selbst nicht, warum sie das machen. Der Wagen bleibt dann immer an derselben Stelle…

So etwas passiert manchmal in einer Gesellschaft aufgrund des Mangels an Informationen. Und nur deswegen sind dann solche Meinungen zu hören wie folgende: „Ja, ich will in Zukunft in der EU leben. Dann werde ich keine Probleme im Alltagsleben haben”.

Versuchen wir also heute wenigstens zu klären, ob diese Hoffnungen „das Recht auf Existenz” haben und welche Folgen die EU-Erweiterung in Wirklichkeit für uns haben kann. Ist Europa überhaupt zu einer Erweiterung bereit? „Nein“, würden einige sagen. Wird das aber irgendwann noch geschehen? „Ganz gewiss!“ Das kann wohl als Motto der Europäischen Union dienen. In dieser Aussage spiegelt sich das ganze Wesen der Kollision der heutigen Integrationsetappe wider.

Der Gewinn ist irgendwo daneben...

Vor allem ist es noch nicht ganz klar, ob die EU genug Kräfte und Mittel hat, um alle Wirtschafts- und Sozialreformen sowie die Integration der neuen Mitglieder in den europäischen Einheitsmarkt zu beschleunigen, zur entscheidenden Zeit durchzuführen und zu finanzieren.

Es ist vermutlich gut, dass die EU das heutige Regierungssystem ändern wird. Es ist klar, dass die Regeln des Vorsitzes im Europäischen Rat nicht optimal sind. Jedes halbe Jahr ersetzt ein Vorsitzender den anderen und erfüllt die entsprechenden Pflichten „fakultativ“ in Ergänzung zu der Hauptrolle des Führers der nationalen Exekutivmacht. Es ist sinnlos und nicht effektiv eine solche Prozedur in der ausgedehnten Union beizubehalten, weil sie die ausreichende Nachfolge nicht gewährleistet.

Es werden Funktionsprinzipien oder Bestandteile einiger europäischer Institute geändert. Und es muss äußerst kompliziert sein, sich in den unvermeidlichen Neuerungen und den Veränderungen zurechtzufinden. Die zunehmende Ungleichheit der Union wird zur weiteren Differenzierung ihrer Teilnehmer führen.

Die Bürger der Union werden sicherlich den Wunsch haben, am Beschluss der wichtigen Fragen der demokratischen Prinzipien angemessen teilzunehmen sowie auch eigene Rechte zu schützen. Aber, um an dem Leitungsprozess teilzunehmen, muss man seine Regeln kennen und verstehen, was für das Volk nicht so einfach ist. So entsteht ein Widerspruch der demokratischen Prinzipien, auf denen die westeuropäische Gesellschaft aufgebaut ist. Komischerweise stehen im Glossar der Terminologie der Union unter den Wörtern, die mit dem Buchstaben „D“ anfangen – der ersten und der zweiten Stelle entsprechend sogar – „Deepening“ und „Democratic deficit“.

Ein offensichtliches Problem für die EU ist es, dass die ökonomischen Vorteile immer noch potent sind. Umso mehr befanden sich alle „Neuen EU-Länder“ im Laufe der letzten Jahre in der Wirtschaftskrise.

Politik „der verantwortlichen Nachbarschaft“

Der Erweiterungsprozess wird ebenso wichtig für diejenigen Länder sein, die nahe der zukünftigen östlichen und südlichen Grenzen der Union liegen. Diese Länder werden zu unmittelbaren Nachbarn sowohl der größten Handelsunion der Welt, als auch der Zone des ökonomischen Wachstums und der Stabilität. Und eine der wichtigsten Aufgaben dieser Länder – insbesondere der Republik Belarus, die sich im Zentrum Europas befindet – ist es, alle Vorteile dieser Situation zu finden und zu nutzen.

In der letzten Zeit spricht man nicht so viel über die zukünftigen Beziehungen mit neuen Nachbarländern. Und selbst das Wort „Europa“ löst Assoziationen des reichen Westens aus, der immer neue „Grenzen des Wohlstandes“ rund um sich herum schafft, wodurch er sich vom „armen Osten“ abzäunt.

Und doch wird Europa auch nach der eventuellen weiteren Erweiterung mehr als die EU sein! Das betrifft nicht nur unmittelbar Geographie, sondern auch Wirtschaft, sozial-kulturelles Leben, Umweltschutz sowie wissenschaftliche und technische Politik… Und die Interdependenzen sind hier so ausgeprägt, dass es kurzsichtig und verantwortungslos ist, Entwicklungen jenseits der EU zu ignorieren.

Unter den anderen Dokumenten, die in der rechtlichen Basis der EU erscheinen, existiert auch die „Konzeption der neuen Nachbarschaft“, die über die Notwendigkeit der Entwicklung der „neuen Europäischen Aussenpolitik“ berichtet. Dies soll sogar seinen Niederschrieb in der zurzeit entstehenden Verfassung der Union finden. Im Entwurf für Artikel 42 des Verfassungsvertrages heisst es: „Die Union entwickelt besondere Beziehungen zu den Staaten in ihrer Nachbarschaft, um einen Raum des Wohlstands und der guten Nachbarschaft zu schaffen, der sich durch enge, friedliche Beziehungen auf der Grundlage der Zusammenarbeit auszeichnet.“

Wie der Leiter der Berliner Europäischen Akademie Eckart Stratenschulte einmal sagte, ist die EU auf der Suche nach einem „dritten Weg“ zwischen Mitgliedschaft und relativ unverbindlicher Kooperation. Die bisherigen Partnerschafts- und Kooperationsabkommen mit den östlichen Nachbarn haben die Erwartungen offensichtlich nicht erfüllt.

Und so war die Meinung des Ex-Kommissionspräsidenten Romano Prodi, der für die Nachbarstaaten das Konzept der „Teilhabe an der Union mit der Ausnahme ihrer Institutionen“ entwickelt: „Ausgangspunkt der Nachbarschaftspolitik wäre nicht, eine Mitgliedschaft zu versprechen, aber auch nicht, jegliche Mitgliedschaft auszuschließen. Dies würde das Problem beseitigen, einem Land, das sich um die Mitgliedschaft bewirbt, in einem zu frühen Stadium ‚ja‘ oder ‚nein‘ sagen zu müssen. Zwischen einem ‚Nein‘ heute und einem ‚Ja‘ in einer relativ fernen Zukunft gibt es einen großen Spielraum zur Schaffung eines ‚Tugendkreises‘, einer Situation, in der beide Seiten gewinnen.“

Diese Überlegungen sind zwar grundsätzlich richtig und demokratisch, aber auf der anderen Seite auch doppeldeutig und können eine andere Interpretation haben.

Zweifelhafte Perspektiven

Stellen wir uns vor, dass unseren europäischen Staaten etwas als Perspektive angeboten wird. Nämlich die Mitarbeit mit möglichen zukünftigen Annäherungsperspektiven. Dies wird aber sowieso eine Mitgliedschaft „zweiter Klasse“ sein, in der man Pflichten, nicht aber die Rechte teilt. In der man sich in seiner Entwicklung an den anderen EU-Ländern orientiert und man die Möglichkeit des eigenen Einflusses auf die Prozesse fast ausschließt.

Außerdem, wie soll man beispielweise eines der osteuropäischen Länder motivieren, die Standards und Spielregeln der EU zu übernehmen, wenn man ihm gleichzeitig die erstrebte Vollmitgliedschaft in der EU vorenthalten möchte? Warum sollen die Ukraine oder Belarus einen schwierigen und schmerzhaften Transformationsprozess durchlaufen und dafür die politische Untestützung im Land mobilisieren, wenn es kein anderes Ziel gibt, als Befehlsempfänger der EU zu werden? So sind einige Meinungen zu diesem Thema...

Braucht uns der Westen?

Belarus und die EU sind jetzt unmittelbare Nachbarn mit einer gemeinsamen Grenze von mehr als 1.000 Kilometern und es wäre sehr wünschenswert, dass diese Grenze uns nicht trennt, sondern vereinigen würde, dass diese Nachbarschaft etwas mehr, als nur geografische Nähe bedeutet. Einige Probleme sind aber schon heute vorhanden. Zum Beispiel die Situation mit Polen und den baltischen Ländern. Die Einführung der Visumregelung hat für viele Unternehmer die Vorbereitung von Arbeitsreisen viel komplizierter gemacht.

Die Europäische Union hat die Absicht, einen gemeinsamen Wirtschaftsraum mit Russland zu schaffen. Aber es ist noch fraglich, ob man sich einen solchen wirksam geltenden Wirtschaftsraum vorstellen kann, wenn Belarus, das sich zwischen diesen beiden Ländern befindet, nicht daran teilnimmt. Außerdem ist Belarus ein wesentlicher Landtransitweg aus der EU nach Russland. Die Geschichte zeugt von vielen Vorteilen dieser so guten geografischen Lage unseres Landes. Jeder beliebige Transit durch Belarus ist wenigstens anderthalbmal kürzer, als der Transit durch die Nachbarländer. Und das ist vom Gesichtspunkt der Entwicklung verschiedener Business-Projekte her sehr wichtig.

Zugleich lässt diese geografische Lage unser Land verschiedene Folgen des Erweiterungsprozesses der EU erproben und lokalisieren. So, zum Beispiel, ist nämlich Belarus an der westlichen Grenze darum besorgt, dass die Migrationswelle aus Asien nicht weiter nach Europa dringt. Die vorsichtigsten Einschätzungen der belarussischen Experten zeigen, dass sich derzeit auf dem Territorium Weißrusslands mehr als 100.000 Leute befinden können, die weiter nach Westen illegal durchzudringen streben. Und nur die unternommenen Bemühungen halten diese Migrationswelle, die die Zone der Freiheit, Sicherheit und Rechtspflege der Union bedroht, zurück.

Die Existenz eines unabhängigen und lebensfähigen Belarus ist ein wichtiger Faktor der regionalen Stabilität auf der strategischen Kreuzung Europas. Darum müssten Russland und die EU daran interessiert sein, dass sich unser Land gerade in solchen Belangen erfolgreich weiterentwickelt.

Dann muss man auch betonen, dass es in Belarus keine interetnische und interkonfessionelle Feindschaft in der Gesellschaft gibt.

Terri Besch von der amerikanischen Pordiju-Universität ist sich sicher, dass eine Reihe von Faktoren existieren, die den Gedanken bestätigen, dass „die EU Belarus braucht“.

Vor allem hebt der Forscher hervor, dass die Belarussen sehr tolerant in allen Fragen der Religion, des Glaubens und in den Fragen der Machtunterordnung sind. Es gibt bei uns nicht nur einen riesigen Käufermarkt, sondern auch einen großen Geschäftsmarkt. „Noch zwei Gründe, warum die EU Belarus braucht“, sagt der Forscher, „sind der Umweltschutz und der Ökotourismus. Alles, was die EU als am wesentlichsten unter den eigenen Prioritäten bezeichnet. Belarus ist ein wunderschönes Land mit zwanzigtausend Flüssen und zehntausend Seen. 35 Prozent seines Territoriums sind mit Wäldern bedeckt und weitere 45 Prozent sind landwirtschaftliche Flächen. Es ist eine geografische Perle und die Verzierung Europas.“

Belarus steht vor der Wahl

Es ist objektiv notwendig, eine gute Analyse und eine richtige Einschätzung der ökonomischen Folgen der EU-Entwicklung zu treffen, um weitgehende Strategien für die Entwicklung der Außenpolitik der Republik Belarus zu entwickeln.

Am Beispiel der europäischen Erfahrung kann man sich eine gute Vorstellung über das neue System der Koexistenz für unser Land machen. Die Entwicklung der wirtschaftlichen Beziehungen mit der EU wird ganz stark die allgemeine ökonomische Situation in unserer Republik bestimmen.

Ein sehr wichtiger Aspekt der Folgeneinschätzung der EU-Erweiterung ist die Möglichkeit des Zuflusses von ausländischen Investitionen in unser Land. Obwohl es auch nicht aussgeschlossen ist, dass diese Investitionen in erster Linie in die Projekte der zentraleuropäischen und Baltikumsländer fließen werden.

Was die Integration der Republik Belarus in Europa anbetrifft, so ist es vielleicht noch zu früh, irgendwelche Prognosen zu machen. Die Länder, die hinter den Grenzen der EU bleiben, stehen vor der Wahl, sich entweder dem vereinigten Europa anzupassen und den Weg zu finden, beiderseitig vorteilhafte Beziehungen aufzubauen, oder sich zu einer kulturellen Isolierung zu entschließen, die mit vielen anderen Faktoren das Land beeinflussen kann.

Man kann schon heute sagen, dass keine bedeutenden Unterschiede im Verständnis der politischen und ökonomischen Werte unter den Belarussen und den anderen Europäern existieren. Und der europäische Markt ist die Quelle der kolossalen Möglichkeiten für die belarussische Wirtschaft.

„Nicht-Europa” in Europa?

Es wird sehr kompliziert sein, als „Nicht-Europa“ in Europa zu existieren. Die Hauptbedrohung für die ökonomische Sicherheit unseres Landes ist hinter der sich immer bewegenden postindustriellen Welt zurück zu bleiben, abseits von der Entwicklung der intellektuellen Arbeit im Westen zu sein. Gerade darum wäre es richtig, sich der europäischen Kultur anzunähern, ohne dabei Angst zu haben, unsere Einzigartigkeit zu verlieren. Die nationalen Besonderheiten sind in der Regel besser vor dem Hintergrund der fremden zu sehen.

Es wäre vielleicht sinnvoll, die Reformen in der weißrussischen Ausbildung mit den Forderungen des vereinigten Europas schon jetzt zu vergleichen. Dann könnte man immer mehr verschiedene Innovationen in die Studiengänge an den weißrussischen Universitäten einführen. Das erlaubt es, den Prozess des Studienaustausches und die Anerkennung von Diplomen und Zertifikaten zu erleichtern und zu fördern. Durch den Austauschprozess wird das Sichtfeld der Belarussen ausgedehnt, sie werden sich an die kulturellen Verschiedenartigkeiten des vereinigten Europas gewöhnen, mehr Verständnis für die Kultur und Werte der anderen Nationen haben. Das alles muss unserem Land helfen, sich als gleichberechtigte Partner der Union zu fühlen und sich nicht mit „eisernen Vorhängen“ von den Nachbarn abzugrenzen.

„European Onion”

Die Frage also bleibt: in welchen Strukturen kann ein Europa geschaffen werden, in dem ein friedliches und prosperierendes Zusammenleben möglich ist? Westeuropäische Wissenschaftler bringen hierfür das Konzept eines Mehrebenen-Europas in die Diskussion. Die verschiedenen Ebenen sollen sein: Erstens die Mitgliedschaft in der EU, zweitens der bevorstehende Beitritt, drittens eine kraftvolle Vorbeitrittsstrategie und viertens die neue Nachbarschaftspolitik. Und weil auch Politikberatung von eingängigen Bildern lebt, fordern die Autoren schließlich, die Europäische Union (European Union) zu einer europäischen Zwiebel (European Onion) zu erweitern. Das ist nicht nur ein Wortspiel, sondern auch eine treffende Metapher. Nun ist es leicht, über verunglückte Begriffe Häme auszugiessen, über die Tränen zu sprechen, die Zwiebeln nun einmal auslösen. Man geht also davon aus, dass die EU im Prinzip alle Staaten, die dieses wollen, aufnehmen muss und dass die Partner selbst entscheiden, wie nah sie der EU sein wollen. Es ist auch wichtig, dass der Annäherungsprozess gegenseitig sein wird.

Wenn man sich keine Sorgen über die Entwicklung der gegenseitigen Beziehungen macht und alles einfach so belässt, dann gibt es eine Gefahr der Erscheinung neuer Teilungslinien auf dem europäischen Kontinent. Die Ungleichheit des Lebensniveaus in den Nachbarländern kann zu der Zunahme solcher Probleme wie illegaler Migration, Kriminalität, Drogenumsatz usw. führen. Und das alles wird eine Situation der Instabilität an den Außengrenzen der EU schaffen.

Gerade zur Lösung dieser Probleme haben englische Wissenschaftler angeboten, Belarus, der Ukraine und Moldawien einen speziellen Status des Nachbarstaates zu verleihen. Dieser Status bedeutet für jedes Land die Möglichkeit der Liberalisierung des gegenseitigen Handels, die Zusammenarbeit der Rechtsschutzorgane im Gebiet des Grenzschutzes, der Sicherheit und der Verteidigung.

Dies alles müsste die Wahrscheinlichkeit der sogenannten Risikoentstehung in der postmodernen westlichen Gesellschaft vermeiden. Diese Risiken sind Terrorismus, Verlust der Stabilität in der Wirtschaft und der Politik, Verstärkung der sozialen Kontrolle sowie Verschärfung des Sicherheitsprogrammes für die einzelne Person und die Gesellschaft.

Das wichtigste ist aber in unserer heutigen Situation folgendes: es ist nicht möglich, sich nur mit Hilfe der nationalen Grenzen vor diesen Risiken zu verstecken. Die Problemlösung ist ausschließlich durch allgemeine Bemühungen aller europäischen Länder möglich. Wir alle sind für unsere Zukunft und für die Zukunft der weiteren Generationen verantwortlich!
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