30.09.2005 von Stela Blagoeva, Bulgarien

Freier Informationszugang – An der Grenze zwischen Wunsch und Wirklichkeit

Im Streit um die Aufnahme von Flüchtlingen wurde Polen als egoistisch abgestempelt. Zu Recht?

Die Polen sind nicht herzlos, aber sie sind in einer anderen Situation als die Griechen, Italiener oder Ungarn. Die Flüchtlinge landen nicht an polnischen Stränden, stürmen nicht unsere Grenzen und den Hauptbahnhof in Warschau. Wäre dem so, dann würden auch an der Weichsel unzählige Menschen wie selbstverständlich die Leute retten, ihnen helfen, sich um sie kümmern und nicht danach fragen, welchen Glaubens sie sind.

Fehlerhafte Einwanderungspolitik

Die grausamen Ereignisse in den Vorstädten von Paris oder Marseille, die blutigen Rassenkrawalle im Jahr 2011 in London, Birmingham und Manchester – das alles sind Tatsachen. Es sind bei der Einwanderungspolitik in Westeuropa riesige Fehler begangen worden, Parallelwelten und Gesellschaften haben sich etabliert. Das haben viele bei uns vor Augen und sagen „wehret den Anfängen“. Diese Bedenken stehen weder links noch rechts, sie sind weder katholisch noch atheistisch. Sie gehen quer durch jede Gesellschaft, sie sind da, und die Politik muss damit umgehen. Auch in Deutschland, wo nicht nur die Leute auf dem Münchner Bahnhof den Flüchtlingen Beifall klatschen, sondern wo immer wieder Asylantenunterkünfte in Brand gesteckt werden.

Die Europäische Kommission will das Zwangssystem der Quoten einführen. Doch kann eine automatische Verteilung auf die EU-Länder funktionieren? Nein. Es heißt, die Flüchtlinge werden sich unterordnen müssen. Wie denn bitte? Das sehen wir ja schon heute. Sie wollen sich nicht in Ungarn registrieren lassen, sie ziehen einfach weiter: nach Deutschland, nach Schweden usw. Es heißt ja auch, die 160.000 Flüchtlinge, die jetzt zwangsverteilt werden sollen, das ist nur der kleine Anfang. Es sollen weitere Hunderttausende aufgenommen werden. Der Präsident der Europäischen Kommission Jean-Claude Juncker spricht viel über die Verteilung, sagt aber kein Wort darüber, wie der Strom aufgehalten werden soll.

Ist Polen überhaupt aufnahmebereit?

Ja, nur wir sollen Menschen aufnehmen, die in der Regel gegen ihren Willen nach Polen geschickt werden sollen. Nehmen wir ein Beispiel. Die Stadt Śrem bei Poznań hat drei syrische Familien aufgenommen. Christen. Sie bekamen alle jeweils eine anständige Neubauwohnung zugewiesen, Beihilfen, sofort eine Arbeitserlaubnis, wurden vom örtlichen Pfarrer feierlich willkommen geheißen, die Kinder bekamen Kindergartenplätze. Dann drang zu den Familien die Nachricht durch, dass Deutschland allen Syrien-Flüchtlingen Asyl gewähre. Sie haben sich alle über Nacht, ohne sich zu verabschieden, auf den Weg nach Deutschland gemacht. Zwangsquoten sind also keine Lösung. Wir sollen und können nur diejenigen aufnehmen, die wirklich zu uns wollen, und auch das gibt keine Gewähr, dass sie es nicht nur vorgeben, um dann doch nach Deutschland zu flüchten.

Verteilung mit Gewalt funktioniert nicht

Wer in Not ist, muss gerettet werden. Dann aber sollte nur das stattfinden, was die jetzigen EU-Bestimmungen vorsehen. Schnelle Asyl-Aufnahmeverfahren an den EU-Grenzen ohne Ausnahme. Das Zurückschicken von Flüchtlingen aus dem Westbalkan: Albanien, Montenegro, Serbien. Weiterleitung der anerkannten Flüchtlinge möglichst in die Länder, deren Sprache sie sprechen, wo sie Verwandte haben. Die Menschen versuchen zu erklären, dass sie auch in Polen oder Estland eine Zukunft haben, was sicherlich schwer sein wird. Aber Zwangsmaßnahmen, bewaffnete Konvois, die die Flüchtlinge irgendwohin, z.B. nach Polen bringen, wo sie nicht sein wollen, das geht nicht und das wird nicht funktionieren.
"

Verwandte Beiträge

2024 Bulgarien Bulgarien: Märchen mit offenem Ende 2018 Bulgarien Bulgarien – der „behinderte“ Staat, der die bulgarischen Mütter verdrängt (hat) 2017 Bulgarien Bulgarien 10 Jahre nach dem EU-Beitritt - keine Bilanz, nur eine kurze Geschichte 2015 Bulgarien Zukunftsskeptizismus oder Wunder von Bulgarien 2014 Bulgarien Wahlen in Zeiten der Cholera 2013 Bulgarien Die Proteste in Bulgarien 2012 Bulgarien Die Geburt der Zivilgesellschaft in Bulgarien nach 22 Jahren des Wartens 2011 Bulgarien Die Gesundheitsreform in Bulgarien – Ein Krieg der Nerven 2010 Bulgarien Bulgarien – 20 Jahre (keine) Wende 2009 Bulgarien Eine Stimme für die Zukunft - Die populistischen Parteien in Bulgarien sind im Aufwind, man kann aber trotzdem Grün wählen 2008 Bulgarien Die aktuelle politische Situation in Bulgarien 2007 Bulgarien Grüne Männlein in Bulgarien – die Umweltschutzbewegung zwischen Politik und Ökologie 2005 Belarus Belarus – Die unbekannte Mitte Europas? 2005 Bulgarien Freier Informationszugang – An der Grenze zwischen Wunsch und Wirklichkeit 2005 Bulgarien Ataka und die Wiedergeburt des bulgarischen Nationalismus 2005 Estland Computer statt Wahlkabine 2005 Georgien Korruption und Journalismus nach der georgischen Revolution 2005 Kambodscha The Struggling for a brighter Cambodian Journalism after the dark Pol-Pot-Period – Murdered and ill-treated journalists in Cambodia 2005 Lettland 5 Minuten 2005 Polen Akademischer Rundfunk in Polen 2005 Serbien Panzeraffäre 2005 Slowakei Aktuelles Geschehen in der Slowakei 2005 2005 Tschechische Republik Schägerei? Nein, eine Techno-Party 2005 Ukraine Westeuropa entdeckt die Ukraine – Die Mühen der Ebene nach der Orangenrevolution 2005 Ukraine Ein Journalistenkopf für die Freiheit 2005 Ungarn Mission almost impossible 2005 Usbekistan Radio Taschkent International 2004 Bulgarien Bulgarien feiert die Meinungsfreiheit: Der Leser als Kunde und König? 2003 Bulgarien Unter dem Vorwand einer "Europäisierung" der Mediengesetzgebung versucht die Politik die öffentlich-rechtlichen Sender Bulgariens stärker unter Kontrolle zu bringen