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Die politische Verfolgung bleibt im Gedächtnis des Menschen, auch wenn die Aufarbeitung umfänglich und vollständig geschehen ist.
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Die Mongolei ist ein Binnenland in Zentralasien und war zwischen 1921 und 1990 ein sozialistischer Staat. Danach wandelte sich die Mongolische Volksrepublik, in den demokratischen Staat Mongolei um. Während ihrer Existenz war die Mongolische Volksrepublik ein enger Verbündeter der Sowjetunion. In der siebzigjährigen Diktatur kam es in der Mongolei zu einer systematischen politischen Verfolgung. Nach Datenangaben wurden während dieser Zeit zehn Prozent der Bevölkerung politisch verfolgt.
Die politische Verfolgung war ein Phänomen, welches nicht nur in der Mongolei, sondern auch in der Sowjetunion sowie in nahezu allen Ländern stattfand, die sich als sozialistisch bezeichneten. Die Ursachen der Verfolgung werden deshalb zwingend mit dem Sozialismus in Zusammenhang gebracht. In anderen ehemals sozialistischen Ländern ist dieses Phänomen bereits geschichtlich aufgearbeitet worden und es wurden politische Schlüsse daraus gezogen, um das Problem zu lösen.
Nach dem Beschluss die Staatsform zu wechseln, verabschiedete die Mongolei ihre neue Verfassung im Jahr 1992. Es kam zur Abkehr vom Sozialismus und zum Aufbau eines demokratischen Staates. Durch die friedliche Revolution wurde das Volk zum Herrscher über das eigene Land. Die Ein-Parteien-Herrschaft wurde beendet, die Marktwirtschaft unumkehrbar eingeführt und Religions-, Reise-, Meinungs- und Pressefreiheit gesetzlich garantiert. Doch der Weg in die Freiheit war noch nicht vollendet.
Im Jahre 1991 wurde die Staatskommission für die Aufarbeitung der politischen Verfolgung gegründet. Sie hat das Ziel die Verfolgung als Ganzes zu analysieren und zu erforschen und die Rehabilitierungsarbeiten auf eine neue Ebene zu heben. Egal, um welche Zeit und welches Land es sich handelt, es ist eine schwierige und verantwortungsvolle Arbeit die tatsächliche Wahrheit der Geschichte ohne jede Beschönigung an die Öffentlichkeit zu bringen. Im Zeitraum von April 1939 bis heute wurden insgesamt ca. 30.000 Personen, nach Untersuchungen der Kommission, durch die Gerichte rehabilitiert und somit ihre Würde wiederhergestellt. Als weitere Maßnahmen zur Aufarbeitung wurde ein Lichtdenkmal als Andenken an die Verfolgten im Jahre 1994 errichtet. Daneben wurde das Museum für Verfolgte am 10. September 1996 eröffnet und im Jahre 1998 wurde das mongolische Gesetz „Rehabilitierung der politisch Verfolgten und Entschädigung der Opfer“ verabschiedet. Jährlich wird der 10. September als „Tag zum Gedenken an die Opfer der Verfolgung“ begangen. Die mongolische Regierung entschuldigte sich 1996 offiziell bei den Opfern. Dies geschah auf Initiative des damaligen Leiters der Staatskommission Ts. Elbegdorj (demokratischer Staatspräsident von 2009 bis 2017).
Demokratie und Gerechtigkeit gedeihen in der Mongolei. Die gesamte mongolische Öffentlichkeit hat die Wahl getroffen, eine humane, demokratische Bürgergesellschaft zu gründen, in der Menschenrechte und Freiheit großgeschrieben werden. Um einer Wiederholung der politischen Verfolgung vorzubeugen, ist der Zugang zu offenen und transparenten Informationen notwendig. Zur vollständigen Aufarbeitung ist eine Intensivierung der Tätigkeit der Staatskommission und die enge Zusammenarbeit zwischen öffentlichen Initiativen und den Bürgern von Nöten.
Beurteilung der politischen Verfolgung
Die politische Verfolgung führte zur Erschütterung der traditionellen Grundsätze der mongolischen Lebensweise. Dies führte zur Erosion der mongolischen Werte, welches einen Verlust der nationalen Traditionen, Kultur, Schrift und Geschichte nach sich zog. Die Nachwirkungen sind bis heute spürbar. Denn jede Mongolin und jeder Mongole ist von diesem boshaften Phänomen der Verfolgung betroffen. Die systematische Verfolgung führte dazu, dass sich selbst Familienangehörige nicht mehr trauen ihre Traditionen aufrecht zu erhalten und hatte die Beschneidung der existenziellen Werte, Traditionen und Kultur des mongolischen Volkes zur Folge.
Die Wahrheit kann nicht ans Licht gebracht werden, wenn keine politische Verurteilung für diese landesweit durchgeführte Verfolgung erfolgt. Angesichts der Verhältnisse und der Dauer der politischen Verfolgung stellt die Anzahl der Rehabilitierungen nicht mehr als einen winzigen Teil der Fälle dar. Der größte Schaden ist allerdings der Verfall der Werte, die das mongolische Volk zu einem Schatten seines früheren selbst machten. Die Folgen der Repression haben uns heute derart verändert, dass wir nicht mehr wissen, wer wir sind. Einst haben wir die Hälfte der Welt erobert, heute erkennen wir nicht mehr, wer unser Nachbar ist.
Mit der Aufarbeitung der politischen Verfolgung hat die Mongolei nach der Demokratisierung einiges erreicht, ist aber noch lange nicht am Ende. Die Frage nach den Tätern der Verfolgung und deren Verantwortung ist beispielsweise nach wie vor ein Tabu.
In Deutschland unterstützt der Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik die Forschung und arbeitet bei der historischen und politischen Aufarbeitung der Tätigkeiten des Staatssicherheitsdienstes eng mit den Medien sowie Einrichtungen der politischen Bildung zusammen. In der Mongolei ist der Zugang zum Geheimdienstarchiv für die Wissenschaft und Forschung jedoch nur begrenzt möglich.
Zur vollständigen Aufarbeitung der politischen Verfolgung während der kommunistischen Diktatur in der Mongolei sollten daher noch weitere Plattformen für offene Diskussionen geschaffen werden. Junge Menschen sollten die wahre Geschichte über die politische Verfolgung in ihrem eigenen Land erfahren und die Zusammenhänge verstehen, damit sich so etwas in Zukunft nicht wiederholt. Demokratie und demokratische Werte wie Meinungs-, Religions- und Pressefreiheit sind nicht auf Dauer garantiert. Jede Bürgerin und jeder Bürger ist für deren Erhalt verantwortlich, denn eine Demokratie lebt von der Beteiligung seiner Bürgerinnen und Bürger sowie deren kritischer Auseinandersetzung mit politischen Geschehnissen und der Verteidigung der demokratischen Werte gegen externe und interne Bedrohungen.
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