30.09.2008 von Vit Chalupa, Tschechische Republik

Kann man ein historisches Sportereignis langweilig machen? In Tschechien schon.

Es war das Sportereignis des Jahres. Vielleicht das Sportereignis überhaupt: Die Olympischen Sommerspiele 2008 im chinesischen Peking. Fast alle haben zugeschaut, nur die Sportfans nicht.

Sollte das öffentlich-rechtliche tschechische Fernsehen die Aufgabe gehabt haben, bei der tschechischen Bevölkerung eine Abneigung gegen Sport zu erzeugen, dann ist ihm dies mit den Übertragungen aus Peking perfekt gelungen. Die Zuschauer des tschechischen Fernsehes mussten sich wie bei Schülervorträgen gefühlt haben. Sie wurden mit Informationen überhäuft und überschüttet. Was fehlte, war der Spaß, die Unterhaltung.

Die tschechischen Fernseh-Kommentatoren werden immer niveauloser. Es scheint, als fehle ihnen die Lust und Laune, so dass sie oft nur informieren - oberflächlich und fehlerhaft. Wie viele von ihnen sind dazu in der Lage, dem Zuschauer zu vermitteln, dass natürlich auch Emotionen im Sport eine ganz wichtige Rolle spielen? Der vielleicht einzige unterhaltsame Kommentator war Michal Dusik, als er mit absichtlich gedämpfter Stimme die goldene Vorstellung von Katerina Emmonsova beim Schießen kommentierte.

Tschechische Sport-Kommentatoren konzentrieren sich in erster Linie auf oberflächliche, leicht zu recherchierende Informationen, wie beispielsweise wann wer geboren ist und was seine bisherigen Leistungen waren. Fachwissen fehlt.

Und da fragt sich doch der Zuschauer: Zahle ich dafür Rundfunkgebühren? Die Frage ist gezielt gestellt. Viel gezielter, als die Fragen von tschechischen Fernsehreportern, während sie Interviews mit den Athleten führen. Warum müssen die Zuschauer immer wieder dieselben Fragen hören: Wie fühlen sie sich? Haben sie dieses Ergebnis erwartet? Hat ihnen ein wenig Glück gefehlt?

À propos Gespräche mit den Athleten. Auch hier spielte sich eine große Tragödie ab: Auf die ersten "Gefühlsäußerungen" von tschechischen Sportlern musste man 20, 30, 40 Minuten oder manchmal auch Stunden warten. Warum? Die Fernsehverantwortlichen entschuldigen das mit fehlenden Finanzen und fehlenden Übertragungsmöglichkeiten. Das aber kann der Zuschauer nicht verstehen, wenn er auch andere Sender wie ARD, ZDF, ORF und BBC verfolgt hat oder er sich noch an die olympischen Winterspiele 2006 in Turin erinnert. Von dort hat dasselbe tschechische Fernsehen in Rekordzeiten "Blitz-Interviews" geliefert. Sind die öffentlich-rechtlichen Reporter fauler geworden? Oder schüchterner?

Die Leichtathleten beispielsweise müssen beim Verlassen und Betreten des Stadions die "Mixed Zone" für akkreditierte TV-Journalisten durchqueren. Der jamaikanische Sprinter Usain Bolt blieb bei fast allen Fernsehsendern stehen. Nur beim tschechischen Fernsehen nicht. Warum? Hatten tschechische Reporter kein Interesse an ihm? Offenbar nicht. Der Pressesprecher des tschechischen Fernsehens Ladislav Sticha hat gesagt: "Interviews mit ausländischen Athleten hat das tschechische Fernsehen nicht gedreht, weil wir unserem Konzept nach Gespräche mit tschechischen Sportlern bevorzugt haben." Das ist kein Witz, das hat er gesagt.

Wer ist es, der "dem Konzept nach" die Äußerungen von Weitspringerin Denisa Scerbova bevorzugt, die so schwache Leistungen zeigte? Ihre Familie, Freunde oder ehemalige Leichtathleten? Möglich ist es. Wer würde nicht Usain Bolt hören wollen? So jemand ist wahrscheinlich nicht zu finden. Auch unerfahrene und fachfremde Zuschauer würden sich freuen, wenn sie für ihr Geld ein Interview mit Usain Bolt über ein Mikrofon mit dem Logo des tschechischen Fernsehens zu hören bekämen.

Star-Interviews beim tschechischen Fernsehen waren wie früher russische Zeitungen: Sie kamen mit eintägiger Verspätung. So haben nach dem Olympiasieg von Speerwerferin Barbara Špotáková im unmodernen, hässlichen Studio ganz andere Sportler gesessen: Nämlich jene, deren Wettkämpfe schon einen Tag vorher zu Ende waren.

Und China? Eine so große Chance, dem tschechischen Zuschauer das Leben dort zu zeigen, kommt in den nächsten Jahren nicht wieder. Nur mit feuchten Augen erinnert man sich an die Winterspiele 1998 in Nagano: Damals hat dasselbe tschechische Fernsehen täglich das weit entfernte Land und seine Besonderheiten vorgestellt - informativ aber auch amüsant.

Was wäre wohl, wenn auch das Motto des tscheschischen Fernsehens lauten würde: Unterhalten Sie sich mit uns?
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