30.09.2007 von Gabriela Kusajda, Polen

Polen steht vor Neuwahlen

Die seit Monaten andauernde innenpolitische Krise in der polnischen Regierung nahm ihr Ende. Nachdem das Parlament am 7. September seine Selbstauflösung beschlossen hat, ist der Weg für vorgezogene Wahlen frei.

Die Selbstauflösung des Parlaments wurde sowohl von der Minderheitsregierung des Ministerpräsidenten Kaczynski als auch von den wichtigsten Oppositionsparteien unterstützt. Seit die Regierungskoalition der zwei populistischen Kleinparteien, der rechtsklerikalen „Liga Polnischer Familien“ (LPR) und der Bauernpartei „Samoobrona“, zerfallen ist, wünschte sich die Partei der Brüder Kaczynski, „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS), schnelle Neuwahlen.

Der Oppositionsführer Donald Tusk von der Bürgerplattform (PO) sprach von einer „Kapitulation“ Kaczynskis, dieser dagegen schrieb die Schuld für das Scheitern seiner Regierung dem „aggressiven Verhalten der Opposition“ zu.

Vielen Politikern erschienen die vorgezogenen Neuwahlen - zwei Jahre vor dem regulären Ende der Legislaturperiode – als die einzige Lösung aus dieser tiefen Regierungskrise.

Unter die Fünf-Prozent-Hürde drücken

Trotz großer Schwankungen lassen alle Umfragen darauf schließen, dass auch nach den Wahlen Tusks PO sowie die PiS der Brüder Kaczynski die größten Fraktionen im Parlament bilden werden. Die beiden Parteien liegen mit je etwa 30 Prozent an der Spitze.

Die bisherigen Koalitionspartner von Kaczynskis nationalkonservativer Partei PiS, die radikale Bauernpartei und die nationalistische Liga polnischer Familien, kommen bei den Umfragen nur knapp über dieb Fünf-Prozent-Hürde. Bei Neuwahlen fürchten sie also um den Wiedereinzug ins Parlament.

Deutsch-polnisches Verhältnis

Dass das Verhältnis zu Berlin im Wahlkampf eine erhebliche Rolle spielen könnte, zeigte schon der letzte Wahlkampf ganz deutlich. 2005 hatte die PiS Tusk mit dem Vorwurf, sein Großvater habe als Danziger in der Wehrmacht gedient, in die Defensive gebracht.

Wirft also Kaczynski erneut dem liberalen Oppositionsführer Donald Tusk vor, er sei vom „Deutschtum“ seiner Heimatstadt Danzig fasziniert? Zu seiner angeblichen Deutschenfreundlichkeit sagte Tusk in der Wahlkampagne vor zwei Jahren, er sei in der Tat „pro-deutsch“. Er sei aber auch „pro-tschechisch“, „pro-slowakisch“, „pro-ukrainisch“ und sogar „pro-russisch“. Denn er vertrete die Meinung, dass Polen mit allen Nachbarn gut umgehen müssen. Die auf Konfrontation angelegte Außenpolitik der Kaczynski-Brüder habe Polen isoliert.

Meistens hat die PO in den Umfragen einen leichten Vorsprung, doch auch vor den Wahlen vom September 2005 schien sie an der Spitze zu sein - dann siegte doch die Partei von Jaroslaw Kaczynski.
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