30.09.2004 von Askold Yeromin, Ukraine

Temnyky" und die Pressefreiheit – Dunkle Ratschläge an ukrainische Medienmacher

In der Nähe des Dorfes Dilowe in der Ukraine steht ein geodätisches Denkmal, das zeigt, dass an diesem Punkt der geographische Kern des europäischen Kontinents liegt. Genauer gesagt, gibt es dort sogar drei Denkmäler. Das Erste wurde im Jahre 1887 noch unter Imperator Franz-Josef I von Wissenschaftlern der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften des Österreich-Ungarischen Imperiums aufgestellt. Das zweite Denkmal wurde von Wissenschaftlern der sowjetischen Akademie der Wissenschaften errichtet und das dritte entstand in den ersten Jahren der Unabhängigkeit, nach dem Zerfall der Sowjetunion. Nun freute sich der ukrainische Präsident Wiktor Juschtschenko, die Ergebnisse des letzten Ukraine-EU-Gipfels im September 2008 zusammenfassend, dass die Ukraine eine baldige EU-Mitgliedschaft anstrebe und eine "Qualifikation eines europäischen Landes erhielt."

Dennoch erscheint eine Erklärung nicht zu paradox, wenn man sie darauf bezieht, dass während der letzten eineinhalb Jahrzehnte Europa sich aus dem geographischen in den politischen Begriff wandelte und nun mit der Europäischen Union gleichgesetzt wird. Und Beziehungen der Ukraine mit den wahren Europäern laufen darauf hinaus, dass die Ukraine versucht den Westen zu überzeugen, dass sie kein Kamel ist.

Nach dem 12. Ukraine-EU-Gipfel wurde die gemeinsame Erklärung des Präsidenten der Ukraine, Wiktor Juschtschenko, des Präsidenten der EU-Ratspräsidentschaft Frankreichs, Nicolas Sarkozy, und des Präsidenten der Europäischen Kommission, José Manuel Barroso, veröffentlicht. In dieser kennt Sarkozy die Ukraine als "ein europäisches Land, das eine gemeinsame Geschichte und gemeinsame Werte mit den Ländern der Europäischen Union hat" an und betonte dabei feierlich, dass "wir zum ersten Mal offiziell derartige Formulierungen vorlegen."

Ungeachtet dessen gab es keine Andeutungen auf eine EU-Beitrittsperspektive der Ukraine, weder in der Erklärung, noch in Kommentaren der europäischen Politiker. Das heißt, zum Ergebnis der langen Verhandlungen wurde… die Anerkennung des geographisches Faktes. Aber die europäische Lage der Ukraine bezweifelte selbst Günter Verheugen nicht, als er als EU-Kommissar für Erweiterungsfragen tätig war. Gleichzeitig verglich er die Chancen der Ukraine auf einen EU-Beitritt mit der Wahrscheinlichkeit, dass Mexiko der 51. USA-Bundesstaat werde. Im verstärkten Abkommen zwischen der Ukraine und der EU, das vorbereitet wird, sind deutliche Widerlegung Verheugens Meinung nur schwer zu finden.

Nikolas Sarkozy erklärte im Namen der EU, dass "dieses Abkommen keinen Weg schließt, aber auch keinen Weg öffnet". Aber worin besteht dann der neue Inhalt der Beziehungen zwischen der Ukraine und der EU nach dem historischen Gipfel, so wie ihn der Präsident der Ukraine nannte? Oder Brüssels Zusage, das neue Dokument als Assoziierungsabkommen zu benennen? Ist es eine Form des Marketingverfahrens, wenn für dieselbe Ware eine neue, noch originellere Packung wirbt?

Die hartnäckige Unlust von Brüssel bzw. von Frankreich, Deutschland, Italien und den Benelux-Ländern die Ukraine dereinst (!) als Mitglied der EU zu akzeptieren, ist viel aufschlussreicher, als die Jahr für Jahr tönenden leere Worte. Die Worte fanden wieder Platz in der erwähnten gemeinsamen Erklärung nach dem Ukraine-EU-Gipfel über "die Anerkennung der europäischen Bestrebungen" und "Zustimmung der europäischen Wahl" der Ukraine. Es scheint, dass die relativ konkrete Entscheidung, einen "Dialog anlässlich der Visafragen zur Erarbeitung der entsprechenden Bedingungen für die strategische Perspektive der Einführung des non-Visa-Regimes zwischen der EU und der Ukraine" anzustreben, sehr langwierig und hoffnungslos sein wird.

Im Unterschied zur Thematik des NATO-Beitritts in der Frage der europäischen Integration gibt es in der Ukraine einen Konsens sowohl unter den politischen Eliten, als auch eine positive Haltung der Mehrheit der Ukrainer. Also ist die fällige Krise an der ukrainischen Machtspitze kein wirklicher Grund (und nur der formelle Vorwand), der Ukraine ihre EU-Beitrittsperspektive abzusagen.

Die Unterzeichnung des Assoziierungsabkommens zwischen der EU und der Ukraine, die in der zweiten Hälfte des folgenden Jahres geplant ist, ist kein außergewöhnlicher Erfolg, wie es die ukrainischen Behörden darstellen wollen. Das Wort Assoziation im Abkommen mit der EU kann die einfachen ukrainischen Bürger blenden. Aber Wiktor Juschtschenko weiß auch, dass es nicht korrekt ist, das künftige Abkommen zwischen der EU und der Ukraine mit den Abkommen, die in 90er Jahren etwa 15 Länder signierten, die später Mitglieder der EU wurden, zu vergleichen. Die Assoziierungsabkommen zwischen der EU und Bulgarien, Estland, Lettland, Litauen, Polen, Slowakei, Slovenien, Rumänien, Ungarn, Tschechien, Kroatien, Montenegro, und noch früher mit Griechenland und der Türkei wurden als Vorbereitungsstufe zum EU-Beitritt unterzeichnet, und in die Dokumente wurde dies eingetragen (allerdings: die Türkei ist bis heute kein EU-Mitglied).

Abkommen zwischen der EU und Ägypten, Algerien, Israel, Jordanien, Libanon, Marokko, Tunesien oder Syrien sowie Verträge mit Chile oder die geplanten Verträge mit Costa Rica, Nicaragua, Honduras, El-Salvador, Guatemala und Panama heißen ebenso Assoziierungsabkommen. Aber diese Abkommen mit den genanten Ländern sind ein Teil der Verträge über die EU-Freihandelszone. Die Mitgliedschaft dieser Länder in der Europäischen Union kommt natürlich nicht in Frage.

In künftigen Assoziierungsabkommen zwischen der Ukraine und der EU wird auch keine EU-Beitrittsperspektive erwähnt. Der Unterschied ist aber, dass sich die Ukraine auf jeden Fall nicht in Nordafrika, Westasien, Latein- oder Mittelamerika, sondern in Europa befindet. Obwohl Brüsseler Bürokraten die Ukraine vielleicht gerne in diese Grauzone zwischen Europa und Russland oder auf einen anderen Kontinent verlagern würden, um Kiews lästige Forderungen zur EU-Mitgliedschaft zu beenden.

Eine kleine Befriedigung haben die EU-Europäer bereits erhalten. Im Jahre 1989 errechneten Wissenschaftler des Französischen nationalen Instituts der Geographie, dass der Kern unseres Kontinents nicht in der Ukraine, sondern in einem "günstigeren" Territorium liegt, und zwar 26 Kilometern nördlich von Vilnius, im Dorf Purnuschkiaj. Nach diesem Beschluss gründete das litauische Parlament dort einen kartographischen Naturschutzpark. Mit dem EU-Beitritt Litauens wurde hier am 1. Mai 2004 die feierliche Enthüllung des Kerns Europas zelebriert.

Auf jeden Fall haben alle, die gegen den Beitritt der Ukraine in die EU sind, Grund für Optimismus. Selbst die geographische Grenze Europas, die man entlang des Ural-Bergrückens zieht, ist relativ bedingt. Einerseits fühlen sich die Einwohner von Novosibirsk oder Irkutsk wahrscheinlich ebenso als Europäer, wie Moskauer oder Petersburger. Andererseits äußerte der bekannte deutsche Naturforscher, Geograph und Reisende Alexander von Humboldt noch im 19. Jahrhundert die Meinung, dass es keine zwei selbstständigen Kontinente, Europa und Asien, gebe, aber einen einheitlichen Kontinent: Eurasien. Seine Idee entwickelte der britische Wissenschaftler William H. Parker weiter, der Anfang der 60er Jahre des 20. Jahrhunderts ein Buch "Europa: wie weit?" herausgab. In diesem Buch gliederte er Eurasien in sechs Bereiche auf: Europa, UdSSR, China, Indien, Südostsasien und Südwestasien.

Das heutige Handeln der westeuropäischen Politiker bestätigt, dass der Subkontinent UdSSR, trotz des Zerfalls des gleichnamigen Staates, wie bisher in ihren Köpfen weiterlebt.
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