Die Bewegung des bulgarischen Ministerpräsidenten Simeon Sakskoburggotski gewann die Parlamentswahl am 17. Juni 2001, nachdem der aus dem Hause Sachsen-Coburg-Gotha stammende ehemalige Zar Simeon. II ein sehr anspruchvolles 800-Tage Programm vorgelegt hatte. Er versprach der Bevölkerung, die inzwischen von den beiden größten Parteien - den Demokraten und den Sozialisten - völlig enttäuscht wurde, drei wichtige Sachen: Verbesserung des Leben der Menschen, Verringerung der Korruption und Überwinden des politischen Parteigängertums. Die von der EU, vom IWF und von der Weltbank positiv bewerteten makroökonomischen Erfolge, die Einladung zur NATO-Mitgliedschaft 2004 und die Perspektive für einen Beitritt in die Europäische Union 2007 konnten allerdings die Misserfolge auf der mikroökonomischen Ebene nicht kompensieren.
Unter solchen Bedingungen, einer rasch sinkenden Popularität und einer äußerst notwendigen Konzentration auf die Verhandlungen mit der EU, befasste sich überraschend noch im Jahre 2002 die Mehrheit der Nationalen Bewegung "Simeon der Zweite" und der DPS - der Partei der türkischen Minderheit, mit der Vorbereitung eines neuen Rundfunkgesetzes. Das neue Gesetz sollte das Mediengesetz von 1998 ersetzen. Das Ziel war dabei nicht zuletzt die Sicherung des weiteren Einflusses der Politik auf die öffentlich-rechtlichen Anstalten - BNT und BNR, inkl. Beseitigung deren erst 2001 gewählte und inzwischen unbequem gewordenen Generaldirektoren.
Ursprünglich wurde ein sehr umstrittener Entwurf für das neue Rundfunkgesetz verfasst. Infolge der scharfen Kritiken politischer Kräfte und Experten scheiterte der Entwurf noch bevor er ins Parlament eingebracht wurde.
Am 3. Februar 2003 haben Vertreter der Mehrheit einen anderen Gesetzentwurf dem Parlament vorgelegt. Trotz der schönfärberischen Definitionen der Rolle der öffentlich-rechtlichen Medien, die der Gesetzentwurf enthält - dem Informations-, Bildungs-, und Unterhaltungsbedarf aller Altersgruppe und sozialen Schichten und die mannigfaltigen Interessen des Publikums zu befriedigen, scheint er restriktiv zu sein. Dabei wird ein neues Mediengesetz vor allem mit der Notwendigkeit begründet, die bulgarische Praxis in Einklang mit den gegenwärtigen Prinzipien und Modellen der Medienregulation in Europa zu bringen. Im Gegenteil zu den in der Europäischen Union geltenden Modellen und Prinzipien aber, die eine möglichst breite gesellschaftliche Kontrolle der Aufsichtsgremien der öffentlich-rechtlichen Anbieter, sowie deren Verwaltungsräten durchsetzen, soll gemäß dem bulgarischen Gesetzentwurf der Einfluss der parlamentarischen Mehrheit auf die Aufsichtsorgane der öffentlich-rechtlichen Medien und deren Verwaltungsapparate vergrößert werden. Und das bedeutet auch Vergrößerung des Einflusses der Exekutive, da seit 1989 mit wenigen Ausnahmen, der starke Ministerpräsident das Sagen bei der Herstellung und Durchführung der Politik der parlamentarischen Mehrheit hat.
Das neue Aufsichtsorgan - Nationaler Rat für elektronische Medien (NREM) - soll elf Mitglieder haben, zwei mehr als der existierende REM. Fünf sollen wie bisher vom Parlament (d. h. von der regierenden Mehrheit) gewählt werden. Die Quote des Staatspräsidenten, der direkt durch das Volk gewählt wird, wird von vier auf drei vermindert. Zwar bekommen Nicht-Regierende Organisationen zum ersten Mal eine eigene Quote - 3 Mitglieder, sie sollen aber auch vom Parlament gewählt werden. NREM soll große Macht ausüben, die angesichts der Wahlprozedur seiner Mitglieder die öffentlich-rechtlichen elektronischen Medien in reine PR-Abteilungen der Regierenden verwandeln kann. So sollen z. B. der NREM die Mitglieder des Administrativen Rates des öffentlich-rechtlichen Fernsehens, bzw. des Radios, der als neues mächtiges Verwaltungsorgan eingeführt wird, die Generaldirektoren der Öffentlich-Rechtlichen und die Hälfte (fünf) der Mitglieder der Öffentlichen Programmräte wählen und entlassen können. Das Aufsichtsgremium entscheidet außerdem über die übrig gebliebenen Lizenzen für Fernseh- und Hörfunkanbieter, unterstützt von einem Frequenz-Organ im Rahmen der Exekutive.
Den Generaldirektoren, die gemäß dem geltenden Rundfunkgesetz relativ große Prerogative genießen, werden unterstellte Funktionen zugeschrieben. Sie sollen einfach die Entscheidungen der Administrativräte ausführen.
Ein anderer, stark umstrittener Schwerpunkt des Gesetzentwurfes ist die vorgesehene Finanzierung beider öffentlich-rechtlicher Anstalten. Zwar sollen die Haushalte eine monatliche Gebühr für den Empfang der Radio- und Fernsehprogramme in Höhe von 1% des monatlichen Mindestlohns bezahlen. Die Finanzierung des BNF und der BNR durch Staatsetatsubventionen wird aber beibehalten, obwohl diese Praxis gemäß des geltenden Gesetzes ab dem 1. Januar 2007 eingestellt werden sollte. Bisher hatten die Staatsetatsubventionen enorme Bedeutung für das Überleben der Öffentlich-Rechtlichen.
Insgesamt begrenzt die finanzielle Abhängigkeit des BNT und des BNR von der Regierung (Subventionen durch den Staatsetat) und dem Parlament (restriktive Werbeschränkungen) deren unabhängige Rolle im Prozess der Politikvermittlung. Die regierungsfreundliche Berichterstattung, die seit der Wende 1989 insbesondere bei der BNT zu beobachten ist, führt zu journalistischem Qualitätsverlust und zu einer Propagandaverdrossenheit der Zuschauer. Eine klare Folge dieser Trends ist das Zurückgehen des Publikums der öffentlich-rechtlichen Fernsehanbieter.
Der Gesetzentwurf für ein neues Rundfunkgesetz wird im Parlament immer noch erörtert. Im Juli 2003 wurden mehr als 2 / 3 der über 140 Artikel in einer Expertise des Europarates kritisiert. Der Entwurf, den man unter http://www.parliament.bg (unter den Gesetzentwürfen der Medienkommission), finden kann, stieß auf starken Widerstand seitens des Staatspräsidenten, der Opposition, Medienorganisationen und nicht zuletzt der mächtigen Kräfte innerhalb der regierenden Mehrheit. Zu diesem Zeitpunkt ist das weitere Schicksal des Entwurfes völlig unklar. Seine Geschichte aber enthüllt die unaufhörlichen Versuche der politischen Kräfte in Bulgarien seit 1989 die öffentlich-rechtlich Medien für ihre eigene Zwecke zu benutzen.
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