Wenige Wochen vor der entscheidenden Wahl fehlt es der georgischen Politik an Ideen

Am 26. Oktober gehen die Georgier an die Urnen. Viele Beobachter innerhalb und außerhalb Georgiens betrachten die bevorstehenden Wahlen als entscheidend für die Zukunft des Landes. Das Verhalten vom Georgischen Traum, der seit 12 Jahren in Georgien regierenden Partei, hat den Einsatz immens erhöht. In dem Bestreben, für eine beispiellose vierte Amtszeit an der Macht zu bleiben, hat der Georgische Traum die außenpolitische Ausrichtung des Landes in Angriff genommen.
Seit der Wiedergewinnung seiner Unabhängigkeit nach der Auflösung der Sowjetunion strebt Georgien eine Mitgliedschaft in der EU und der NATO an, da es beide Organisationen als Garanten für die ersehnte Sicherheit, Stabilität und den Wohlstand betrachtet. Ob sich diese Bestrebungen jemals erfüllen würden, war lange Zeit fraglich. Vor allem auf Betreiben der deutschen Opposition versagte die NATO Georgien 2008 den Membership Action Plan. Nur wenige Monate später marschierte Russland in Georgien ein, was inzwischen weithin als Generalprobe für Russlands laufenden Krieg in der Ukraine angesehen wird.
Der russische Einmarsch in der Ukraine im Jahr 2022 hat jedoch die geopolitische Ordnung in Europa auf den Kopf gestellt und Georgien eine Chance eröffnet, die kurz zuvor noch fast zu einem Witz geworden wäre. Im Jahr 2022 erkannte die Europäische Union, diesmal unter Führung Deutschlands, die europäische Perspektive Georgiens an. Im Jahr 2023 wurde Georgien zum Beitrittskandidaten für die EU.
Früher war Georgien der Spitzenreiter des so genannten assoziierten Trios und lag in seiner wirtschaftlichen und demokratischen Entwicklung vor der Republik Moldau und der Ukraine. Das ist nicht mehr der Fall. Während die EU grünes Licht für die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit den beiden anderen Ländern gegeben hat, wartet Georgien noch immer. Und daran ist nur seine Regierung schuld.
Im Jahr 2023 führte der Georgische Traum "das Gesetz über ausländische Agenten“ ein, ganz im Sinne der russischen Gesetzgebung, die die Organisationen der Zivilgesellschaft in den kommenden Jahren effektiv ausschalten sollte. Der Georgische Traum zog das Gesetz zurück, nachdem es auf breite Proteste gestoßen war. Später im selben Jahr erhielt Georgien den Status eines Beitrittskandidaten, ohne die meisten der von der Europäischen Kommission im Jahr zuvor ausgesprochenen Empfehlungen zu erfüllen. Dies hat den Georgischen Traum gestärkt. Im Jahr 2024 brachte die georgische Regierungspartei das Gesetz wieder auf den Weg und verabschiedete es dieses Mal. Die EU erklärt nun, dass die europäische Integration Georgiens auf Eis liegt.
Der georgische Traum ist jedoch nicht bereit, seinen Kurs zu ändern und hat sich in der Zwischenzeit mit Russland und China verbündet. Für die Befürworter des europäischen Weges Georgiens scheint die Beseitigung der Regierungspartei der einzige Weg in eine bessere Zukunft zu sein.
Alternative für Georgien
Obwohl der Georgische Traum noch nie eine größere Wahl verloren hat, war er in der georgischen Bevölkerung nie besonders beliebt. Vielmehr hat die relative Schwäche ihrer Gegner dazu beigetragen, dass sie an der Macht bleiben konnte. Bislang hat keine der Oppositionsparteien eine umfassende Vision für die Zukunft des Landes vorgelegt.
Weniger als einen Monat vor den entscheidenden Parlamentswahlen hat sich nicht viel geändert. Der Georgische Traum wird am 26. Oktober nicht nur mit einem, sondern mit vier Hauptgegnern konfrontiert sein, von denen jeder eine eigene Kampagne führt. Da ist zum einen die Vereinigte Nationale Bewegung (VNB), die frühere Regierungspartei, die nicht in der Lage war, einen grundlegenden Wandel in ihren Reihen herbeizuführen, und die eher als Partei einer abgelehnten Vergangenheit, denn als Partei einer strahlenden Zukunft angesehen wird. Es gibt die „Koalitionen für den Wandel“, im Grunde eine Abspaltung der VNB, die inhaltlich nicht viel Neues zu bieten hat. Es gibt das Wahlbündnis „Stärkeres Georgien“, eine Mischung aus vier Parteien, die unverständlicher ist als Pizza Hawaii. Und es gibt „Für Georgien“, eine Partei, die von einem ehemaligen Premierminister des Georgischen Traums angeführt wird, der mit seinem Ansehen spielt und während des Wahlkampfs keinen einzigen denkwürdigen politischen Vorschlag unterbreitet hat.
Aber er ist nicht allein. Kaum jemand kann sich an einen denkwürdigen Wahlslogan oder ein denkwürdiges Wahlversprechen einer der Oppositionsparteien erinnern. In der Vergangenheit hat die Unfähigkeit, einen besseren Plan vorzulegen, sie die Wahlen gekostet. Das gleiche Risiko geht die Opposition auch dieses Mal ein. Dennoch scheint der georgische Traum näher, denn je an einem Machtverlust zu sein. Nach zwölf Jahren mittelmäßiger Herrschaft mit unerfüllten Versprechen scheint die georgische Bevölkerung genug zu haben. Die Wiedereinführung des Gesetzes über „ausländische Agenten“ führte zu Instabilität und Chaos auf den Straßen zwischen Georgiens lang ersehntem Erfolg im Fußball.
Es ist eine Untertreibung zu sagen, dass es schwierig ist, den Ausgang der Wahl vorherzusagen. Die georgische Gesellschaft könnte sich wieder einmal für ein Festhalten am Status quo entscheiden. Vielleicht aber auch nicht. Aber eines ist klar: Nach der Wahl wird Georgien nie wieder dasselbe sein.